Das Netz
rasch beiseite, um nicht mitgerissen zu werden, und nahm dann die Kalaschnikow des Mannes an sich. Das Magazin war noch ganz voll. Anschließend stieg sie hinunter zu dem Toten, der ein paar Meter unterhalb von ihr liegen geblieben war, und durchsuchte ihn. In einer seiner Manteltaschen fand sie ein weiteres Magazin und steckte es ein. Beaurain war inzwischen am oberen Rand des Amphitheaters angekommen und rannte die Stufen zu ihr herab.
»Sie hätten sich besser bücken müssen, Jules«, keuchte Paula. »Man hat Ihren Kopf ganz deutlich über den Stuhlreihen gesehen.«
»Dann verdanke ich Ihnen wohl mein Leben. Der Kerl hätte einen Schweizer Käse aus mir gemacht, wenn Sie nicht aufgepasst hätten. Geben Sie mir die Kalaschnikow.«
»Nein, die behalte ich. Ich kann damit umgehen...«
Erst vor kurzem hatte Paula im geheimen Trainingslager des SIS in Surrey ihre Kenntnisse an Uzis und Kalaschnikows aufgefrischt.
»Na schön, aber halten Sie sie schussbereit«, sagte Beaurain, der seinen Revolver gezogen hatte.
Als sie den oberen Rand der Arena wieder erreicht hatten, sahen sie, wie drei bewaffnete Männer auf sie zuliefen. Paula riss die Kalaschnikow hoch und mähte die Angreifer mit einer einzigen Salve nieder. Die Männer sanken zu Boden und rührten sich nicht mehr. Dann pfiff auf einmal eine von unten aus der Arena abgefeuerte Kugel haarscharf an Paulas Kopf vorbei. Beaurain wirbelte herum und erledigte den Angreifer mit einem Schuss in die Stirn. Drei weitere Männer stürmten die Treppe herauf, aber Paula und Beaurain erschossen sie, noch bevor sie ihnen gefährlich werden konnten. Bald war es wieder totenstill in der Arena.
Während sie nachluden, hörte Paula, wie jemand von hinten auf sie zurannte. Sie riss die Browning in die Höhe und feuerte das ganze Magazin auf einen riesenhaften Mann ab. Erst nach mehreren Treffern fiel der Mann zu Boden.
»Gut gemacht«, sagte Beaurain, während er die frisch nachgeladene Trommel seines Revolvers einschnappen ließ.
»Passen Sie lieber auf, da ist noch einer!«, rief Paula und deutete auf eine Gestalt, die sich ein paar Sitzreihen unterhalb von Beaurain urplötzlich erhoben hatte und mit einer im Mondlicht schimmernden Pistole auf ihn zielte. Reflexartig feuerte Beaurain zwei Schüsse ab. Der Mann brach röchelnd über einem der Sitze zusammen.
»Haben wir jetzt alle erwischt?«, fragte Paula, während sie die Maschinenpistole durchlud.
»Pst! Hören Sie das?«
In der gespenstisch stillen Arena war auf einmal eine leise Stimme zu hören, die Beaurain allerdings nicht genau lokalisieren konnte.
»Nicht schießen. Ich bin Aldo Petacci«, sagte jemand mit einer Stimme, die so klang, als formte derjenige die Hände vor dem Mund zu einem Trichter. »Alle Angreifer sind tot. Ich habe sie gezählt, als sie in die Arena kamen.«
Aldo Petacci, der im Licht von Paulas Taschenlampe mit langsamen Schritten zu ihnen hinaufstieg, war ein spindeldürrer, ausgezehrt wirkender Mann. Er trug eine abgewetzte Windjacke und braune Cordhosen.
Ein paar Stufen von ihnen entfernt blieb er stehen. Paula sah, dass seine Hände zitterten.
»Ich bin Aldo Petacci«, wiederholte er. »Haben Sie etwas für mich?«
Beaurain holte Muranos Karte aus der Brieftasche. Er konnte kaum glauben, dass er sie erst einen Tag zuvor in Mailand erhalten hatte. Es kam ihm inzwischen so vor, als wäre eine Ewigkeit vergangen, seit Mario Murano ums Leben gekommen war. Petacci besah sich die Karte im Licht der Taschenlampe und lächelte, als er das Geheimzeichen erkannte, das Murano auf die Rückseite gekritzelt hatte.
»Ich habe Wasser dabei«, sagte er in fließendem Englisch. »Für den Fall, dass Sie Durst haben...«
Paulas Kehle war von der Aufregung tatsächlich wie ausgetrocknet. Dankbar ließ sie sich von Petacci die Feldflasche reichen und trank drei große Schlucke, bevor sie sie an Beaurain weiterreichte.
»Sie sprechen hervorragend Englisch, Signor Petacci«, sagte sie. »Fast könnte man Sie für einen Engländer halten.«
»Das bin ich auch«, antwortete Petacci mit einem strahlenden Lächeln auf seinem mageren Gesicht.
»Dann ist Petacci nur ein Deckname?«
»Einer von vielen. Hier in Italien halten mich alle für einen Italiener.«
»Mario hat uns gesagt, dass Sie wissen, auf welchen Wegen die El Kaida ihre Terrorkommandos nach England einschleust«, sagte Beaurain. »Stimmt das?«
»Ja, das kann ich Ihnen sagen. Die erste Station der Terroristen in Europa ist Mailand. Von
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