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gesetzt. Ganz gleich, wie albern es ist, man kann sich einigermaßen sicher sein, dass es den Leuten in Moskau Kopfzerbrechen bereitet. Diese Erkenntnis brachte mich weiter ins Nachdenken.» Stone machte eine kurze Pause. Dann fuhr er mit leuchtenden Augen fort:
«Diese diversen sowjetischen Nationalitäten, die Moskaus wundester Punkt sind – ich fing an, mich zu fragen, ob wir nicht mit der ständigen Angst des KGB spielen könnten, dass die Völker am äußersten Rand des Imperiums, die Usbeken, Tadschiken, Georgier und Armenier, den sowjetischen Staat zutiefst verabscheuen und die USA in den Startlöchern stehen, sie im Kampf um die Freiheit zu unterstützen.»
Anna musterte ihn argwöhnisch. Ihr erstes Gespräch mit Stone vor ein paar Monaten kam ihr wieder in den Sinn. «Wie haben Sie das angestellt?»
«Anfangs nur über die Radiosender. Mein Freund in München hat sich bereiterklärt, ein paar winzige Änderungen an den Sendeformaten vorzunehmen. Für uns waren das bloße Kleinigkeiten, den Sowjets aber haben sie reichlich Sorgen bereitet. Auf dem usbekischen Sender wurde ein vorrevolutionärer Essay verlesen. Der tschetschenisch-inguschische Sender brachte einen Beitrag zum Geburtstag des Imams Najmuddin von Hotso, der Anfang der Zwanzigerjahre im Nordkaukasus die Rote Armee quasi im Alleingang besiegt hat. Und andere vergleichbare Dinge. Winzige Provokationen. Kleine Stiche, die Moskau im Lauf der Zeit womöglich so weit beunruhigen, dass man sich dort von den Abenteuern im Ausland abwendet und lieber ein wenigvor der eigenen Tür kehrt. Und dann gab es natürlich noch weitere Maßnahmen.»
«Und die wären?», fragte Taylor.
«Ach, ich habe einem Senator gegenüber beiläufig erwähnt, wie sehr es mich freut, dass der Geheimdienst sich jetzt wieder vermehrt mit der Nationalitätenfrage befasst. Das hat er garantiert nicht für sich behalten. Wenn man falsche Informationen zu CI A-Einsätzen in Umlauf bringen will, gibt es übrigens keinen besseren Verteilerkanal als konservative Kongressabgeordnete. Die sind ebenso eifrig wie leichtgläubig.»
Taylor schloss die Augen. «Das haben Sie also in Istanbul gemeint», sagte er.
«Wie bitte?»
«Als ich Sie gefragt habe, wie die Sowjets denn auf die Idee kommen sollten, die USA würden sich mit ein paar durchgeknallten Usbeken einlassen. Da sagten Sie, es habe bereits Hinweise gegeben, die in Moskau für Nervosität sorgen würden.»
«Habe ich Ihnen das tatsächlich schon erzählt? Wie fahrlässig von mir. Aber ja, es gab Hinweise auf ein neuerwachtes amerikanisches Interesse an den sowjetischen Völkern. Und ja, ich habe diese Hinweise gestreut. Allerdings, und das ist das Seltsame daran, habe ich eigentlich nie damit gerechnet, dass es möglich sein würde, dieses Projekt gezielt weiterzuverfolgen. Das denke ich erst seit Ihrem kleinen Zusammenstoß mit diesem Rawls in Istanbul. Seither liegt alles Weitere praktisch auf der Hand.»
«Wer ist denn nun dieser Rawls?», fragte Anna.
«Ein KG B-Mann », sagte Taylor, «den ich anfangs für einen CI A-Mann hielt.»
«Was uns wiederum an den Punkt bringt, an dem wir gegenwärtig stehen», nahm Stone den Faden wieder auf.
«Und wo genau stehen wir?», wollte Taylor wissen. «Das ist jaalles äußerst faszinierend, Mr. Stone, und Sie können sicher sein, dass ich Ihrem Fanclub beitreten werde. Aber ich kapiere ehrlich gesagt immer noch nicht, was wir hier in Rockville sollen.»
«Sie sind wirklich auffallend ungeduldig», sagte Stone. «Genau das gefällt mir so an Ihnen. Aber ehe wir weitermachen, steht noch etwas Wichtiges auf der Tagesordnung.» Er warf einen Blick auf die Uhr.
«Was denn?», fragte Taylor.
«Mittagessen.»
«Und wer kümmert sich darum?»
«Immer der, der fragt.» Stone griff in die Tasche seiner khakifarbenen Arbeitshose und zog einen Bund mit zwei silbernen Schlüsseln hervor. «Das Einsatzfahrzeug steht draußen auf dem Parkplatz, ein weißer Lieferwagen mit der Aufschrift ‹Karpetland›. Ein Schlüssel ist für den Wagen, der andere für die Haustür.»
«Und was soll ich zu essen holen?»
«Es gibt hier in der Gegend eine reichhaltige Auswahl», sagte Stone. «McDonald’s, Burger King, Wendy’s, Hardee’s …»
«Ich bin für Burger King», sagte Anna.
«Dagegen habe ich nichts einzuwenden», sagte Stone.
«Dann also Burger King», sagte Taylor. «Was darf ’s denn sein?»
«Ein Cheese-Whopper ohne Gurke und Zwiebeln mit kleinen Pommes – und eine Cola
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