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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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bemerkte Stone. «Ich hoffe nur, dass ihre Löcher heute alle gestopft sind.» Sie legten ab und steuerten im weichen Licht der Dämmerung den Bosporus hinauf.
     
    Stone ging gleich in medias res. «Erzählen Sie mir von Ihrem Kontakt mit Mr.   Rawls», sagte er, kaum dass das Boot abgelegt hatte.
    Taylor wiederholte die Geschichte im Großen und Ganzen so, wie er sie auch Timmons geschildert hatte. Er erzählte, wie er und George in Omars Bar auf Rawls gestoßen waren; wie er ihm nach Hause gefolgt war; wie er seine Wohnung verwanzt und wie er das Band schließlich abgehört hatte. Während Taylor berichtete, nickte Stone immer wieder und strich sich nachdenklich über das Kinn. Als Taylor geendet hatte, blieb er einen Augenblick lang schweigend an der Reling stehen. Auf dem Bosporus waren im abendlichen Berufsverkehr zahllose kleine Boote unterwegs, die aufgeregt den Weg der großen Fähren kreuzten.
    «Was schließen Sie aus ihren Beobachtungen, was die Aktivitäten dieses Mr.   Rawls angeht?», fragte Stone.
    «Dass er versucht, ein Netz aus russischen Emigranten aufzubauen.»
    «Hm. Und wozu?»
    Taylor überlegte kurz. «Ich vermute, um den Russen Ärger zu machen.»
    «Wie sieht dieser Ärger genau aus?»
    «Er behauptet, sein Ziel ist, Turkestan zu befreien.»
    «Ja, aber das ist doch ganz offensichtlich Kokolores.»
    «Ganz meine Meinung. Aber wozu macht er es dann?»
    «Ganz einfach», meinte Stone. «Um den antisowjetischen Untergrund abzuklopfen. Seine Stärken und Schwächen auszuloten und zu testen, wie stark seine Überzeugungen sind. Kontakte aufbauen.»
    Taylor nickte. «Gut. Verstanden.» Ihm fiel auf, dass Stone während seiner Erläuterung ein leises Lächeln über das Gesicht glitt, aber er wusste nicht, weshalb.
    «In unserem Geschäft ist es immer gut, Kontakte zu haben», fuhr Stone fort. «Man weiß nie, wie man sie irgendwann mal brauchen kann.»
    «Ich weiß, es geht mich nichts an», sagte Taylor. «Aber besteht nicht die Gefahr, dass die Operation außer Kontrolle gerät? Ein paar von diesen Usbeken und Kasachen sind ziemlich durch den Wind.»
    «Eine gewisse Gefahr schon», erwiderte Stone. «Aber das Risiko ist es sicherlich wert.» Er lächelte erneut.
    Taylor nickte. Diese ausweichenden Antworten machten ihn ganz nervös. Wann würde Stone endlich die Karten auf den Tisch legen und sagen, was er vorhatte?
    Ali Kaptan rief ihnen von der Brücke aus etwas zu. Die
Teodora
glitt gerade zwischen den beiden Festungen Rumeli Hisari und Anadolu Hisari hindurch, die an der engsten Stelle des Bosporus die gegenüberliegenden Ufer bewachten.
    Taylor wies Stone auf die beiden Bauwerke hin. «Hier sind sich Europa und Asien am nächsten», erklärte er.
    «Nicht besonders nah, nicht wahr?», erwiderte Stone. Er ließ seinen Blick über das Wasser schweifen und fuhr dann mit seiner Befragung fort.
    «Haben Sie Mr.   Rawls weiter beobachtet, nachdem Sie das Band abgehört hatten?»
    «Nein», antwortete Taylor.
    «Haben Sie ein neues Band in den Rekorder getan?»
    «Nein.»
    «Warum nicht?»
    «Der Grund liegt doch auf der Hand.»
    «Nennen Sie ihn mir.»
    «Weil ich annahm, dass ich in etwas hineingestolpert bin, das mich nichts angeht und das ich nicht wissen soll, obwohl es in meinem Zuständigkeitsbereich passiert.»
    Stone legte den Kopf schief. «Wie bitte?»
    «Weil ich annahm», wiederholte Taylor mit leicht gereiztem Unterton, «dass ich aus Versehen in eine unserer eigenen Operationen hineingestolpert bin.»
    Stone kicherte leise.
    «Was ist denn daran so lustig?»
    Stone nestelte an irgendetwas in seiner Hosentasche herum, scharrte mit den Füßen und starrte in die Ferne.
    «Das ist doch so, oder?», sagte Taylor etwas lauter. Einen Moment lang verspürte er das Bedürfnis, Stone mitten in sein kluges, gepflegtes Gesicht zu schlagen.
    «Sie müssen nicht so brüllen.»
    «Es ist doch so?», beharrte Taylor. «Rawls ist ein NOC, richtig?»
    «Rawls?»
    «Ja, Rawls, verdammt nochmal.»
    «Nein, ist er nicht.»
    «Nein?»
    «Nein», wiederholte Stone und lachte laut heraus. «Das ist ja das Interessante. Das Ganze ist keine Operation von uns. Ich habe es sehr gründlich geprüft, und ich kann Ihnen versichern, dass wir momentan nichts Derartiges laufen haben.»
    «Und was ist mit den Kanadiern? Oder den Briten?»
    «Zu denen gehört er auch nicht. Ich habe das überprüft.»
    Taylor holte tief Luft. Er fühlte sich, als hätte man ihm eine Ohrfeige verpasst. «Rawls gehört nicht zu

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