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Das neue Evangelium

Das neue Evangelium

Titel: Das neue Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mattias Gerwald
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weil ich mich mit diesen Dingen lange beschäftigt habe, interessieren mich solche Fragen eben.«
    »Also, wer waren die vier?«, fragte Sean erneut. »Kannst du es mir erklären, Jesus von Burgos?«
    »Ich will es versuchen«, antwortete der alte Pilger. Er aß ein Stück von dem Braten und sagte dann: »Nach dem Tod unseres Heilands am Kreuz wurden die Urchristen in alle Winde verstreut. Sie wurden verbannt und verfolgt. Doch Jesus hatte zu seinen Lebzeiten gesagt, sie sollten die frohe Botschaft verkünden. Und so zogen die Apostel umher und erzählten den Menschen von Jesus und verkündeten ihnen die frohe Botschaft.«
    »Aber das waren nicht die Evangelisten«, sagte Henri.
    »Nein. Die christliche Urgemeinde Jerusalems flüchtete im Jahr des Herrn 66 nach Pella in Transjordanien. Jerusalem wurde von den Römern im Jahr des Herrn 70 zerstört. Das alles war vorher prophezeit worden. Und auch die Wiederkunft des Heilands war vorhergesagt, wie es in Matthäus heißt: Wahrlich, ich sage euch, Ihr werdet nicht die Städte Israels vollenden, bis der Menschensohn kommt.«
    »Dann sind die Evangelien also bereits vor der Vertreibung aus Jerusalem geschrieben worden?«, schlussfolgerte Sean skeptisch.
    »Darum eben streiten sich die Gelehrten«, erwiderte Jesus. »Einige bejahen dies, andere sagen, die Texte seien erst nach hundert Jahren entstanden.«
    »Man weiß also nicht, wann die Evangelisten gelebt haben?«
    »So ist es. Nur die Gültigkeit dessen, was sie aufschrieben, ist unzweifelhaft.«
    Henri sagte: »Es waren jedenfalls tiefgläubige Menschen, so wie Paulus, dessen Briefe jedoch vorher geschrieben wurden. Paulus und Barnabas waren Freunde, aus ihren Schriften erfährt man, wie Jesus wirklich war – der Sohn Gottes, eins mit unserem Herrn.«
    »Wir wissen immerhin«, fuhr Jesus de Burgos fort, »dass Matthäus zu Lebzeiten Jesu gelebt hat. Er war Jude und hieß Levi-Matthäus. Bei Kafarnaum arbeitete er als Zöllner und Steuereintreiber. Matthäus war für die Seesteuer zuständig und für die Landesgrenzensteuer, die für Waren zu entrichten war, die über die Via Maris befördert wurden, die wichtige Handelsstraße von Damaskus zum Mittelmeer. Matthäus muss reich gewesen sein, denn bei Lukas heißt es, er hätte Jesus eingeladen und ein großes Festmahl für ihn gegeben. Danach lud Jesus ihn ein, ihm zu folgen, und Matthäus wurde sein Jünger. Jedenfalls glaube ich, dass es so war.«
    »Du weißt es nicht genau?«, fragte Sean.
    »Nun, andere Schriftkundige behaupten, dieser Levi sei mit dem Evangelisten nicht identisch. Bei den anderen Evangelisten verhält es sich genauso. Wir wissen nicht, ob sie aus der Gefolgschaft Jesu stammen oder nicht. Aber sie haben Zeitzeugen befragt, als sie mit ihren Aufzeichnungen begannen, das ist klar.«
    »Es ist beruhigend zu wissen, dass diese Berichte aus der nahen Umgebung des Heilands stammen«, warf Madeleine ein. »Nicht auszudenken, wenn sich herausstellte, dass es Erfindungen wären!«
    »Bewahre uns Gott vor einem solchen Irrtum«, sagte nun auch Jesus de Burgos. »Aber das ist undenkbar. Nein, wenn man die Evangelien liest, dann versteht man doch, dass durch und durch ernsthafte und gebildete Schreiber sie verfasst haben. Ob ein Zöllner wie der genannte Levi dazu in der Lage war, weiß ich nicht. Aber sicher ist, dass Jesus sich mit solchen einfachen Leuten einließ und ihre Gesellschaft nicht gering schätzte. Dafür wurde er sogar von der orthodoxen jüdischen Gemeinschaft attackiert. Dieser Levi-Matthäus war aber ein Mitglied des Stammes der Leviten, die in Jerusalem für den Tempelkult zuständig waren. Also muss er in allen Fragen des Glaubens und der Überlieferung bewandert gewesen sein.«
    »Was bedeutet der Name Matthäus?«, fragte Sean.
    »Er bedeutet: Gottesgeschenk. Aber er hat ihn sich ja nicht selbst gegeben«, sagte Henri.
    Ludolf von Suchen hatte bisher überhaupt nichts gesagt. Er hielt sich seit der Ankunft des neuen Mitreisenden auffällig zurück. Jetzt aber meldete er sich zu Wort.
    »Man behauptet, das im Kloster des Barnabas aufgefundene Manuskript sei das handgeschriebene Evangelium des Matthäus.«
    Alle blickten ihn aufmerksam an.
    »Du hast zuvor aber gesagt, es handele sich um ein neues Evangelium«, sagte Henri.
    »Ein neues Evangelium?«, stieß Jesus de Burgos hervor. »Wer behauptet das?«
    »Diejenigen, die es im Kloster auffanden«, erklärte Ludolf. »Ich hörte, es sei ein neues Evangelium, aber gleichzeitig eben die

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