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Das neue Evangelium

Das neue Evangelium

Titel: Das neue Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mattias Gerwald
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zog keine geistliche Person hinzu, er wollte nur noch eines – Rache.«
    »Dann nahm die restliche Geschichte ihren Lauf«, sinnierte Jesus de Burgos. »An diesem Tag hätte ich auch sterben wollen.«
    Henri nickte. »An der Spitze der kleinen Seineinsel, nicht weit vom Kloster der Augustiner, wurden zwei Scheiterhaufen errichtet. Am 18. März des Jahres unseres Herrn 1314 entfachten die Schergen ein langsames Feuer, um den beiden Verurteilten durch die Schmerzen doch noch ein Geständnis abzupressen. Aber sie verweigerten dies. So wurden ihnen zuerst die Füße weggebrannt. Dann fachte man das Feuer immer stärker an, sodass die langsam brennenden Körper einen schrecklichen Geruch verbreiteten. Die Unglücklichen starben qualvoll.«
    »Sprach unser Großmeister Jakob von Molay nicht noch letzte Worte?«
    »Das ist richtig. Ich hörte sie mit an, halb wahnsinnig vor Qual und Zorn. Er sagte: Jetzt in meiner Todesstunde, wo Lüge Sünde wäre, bekenne ich wahrhaftig, dass ich gegen mich und die Meinigen eine große Missetat begangen, die ärgste Todesstrafe und die heftigsten Martern verdient habe, weil ich aus Gefälligkeit gegen einige, welche dieser nicht würdig sind, sowie aus Liebe zum Leben ruchlose Schandtaten und Verbrechen unter der Folter gestanden habe. Ich log! Unser Orden hat sich um die Religion Christi so verdient gemacht. Ich brauche kein erbetteltes und durch neue Lügen erlogenes Leben. Ich verurteile die, die uns verurteilt haben.«
    »Und er prophezeite, dass die Schuldigen binnen Jahresfrist ihrer gerechten Strafe überführt werden würden, nicht wahr?«
    »Molay sagte, der Papst würde binnen vierzig Tagen vor den Richterstuhl Gottes gefordert sein. Der König binnen eines Jahres. So geschah es. Und ich selbst war daran beteiligt. Ich schwor Rache, als ich sah, wie in der Nacht nach der Hinrichtung unsere versprengte Anhängerschaft die Asche der beiden Verbrannten aufsammelte und als heilige Reliquie aufbewahrte. Der Papst starb durch Gift in der Nacht des 19. April 1314 zu Roquemaure bei Avignon. Der König starb am 29. November desselben Jahres durch den Sturz vom Pferd bei einer Saujagd. Allerdings fand man in seinem Körper eine Saufeder, die vorher in meinen Händen war. Ich selbst habe den Verräter getötet!«
    Jesus de Burgos starrte Henri bewundernd an. Auch Ludolf von Suchen hatte in seinem Gebet innegehalten, ein Zucken lief durch sein Gesicht, und er schlug ein Kreuz.
    »Du hast gemordet, Henri. Du bist verdammt«, flüsterte Ludolf.
    »Ich weiß«, sagte Henri. »Ich bin auf das Fegefeuer vorbereitet. Es musste getan werden. Der Tod ist ein Meister, der nicht mit sich handeln lässt.«
    Madeleine schrie leise auf. Über den Kerker legte sich eine Düsternis, die nicht nur vom langsam versiegenden Tageslicht kam. Die Hoffnungslosigkeit in diesen Mauern griff immer weiter um sich.
     
     
    Uthman erreichte Enkomi und den Gasthof. Sogleich erfuhr er, was geschehen war.
    Der Wirt kam aufgeregt auf ihn zugeeilt. Er beschwor Uthman, das Weite zu suchen. Denn wer solche Freunde hatte, die sich schuldig gemacht hatten, der blieb selbst nicht lange in Freiheit!
    Uthman beruhigte den Mann. Er ließ sich erklären, wohin man die Gefangenen gebracht haben mochte. Es kam nur der Kerker der Stadtburg von Famagusta in Frage. Dort wurden alle schweren Verbrecher eingesperrt und hingerichtet.
    »Erhoben die Soldaten eine Anklage?«, wollte Uthman wissen.
    »Das hörte ich nicht«, sagte der Wirt. »Aber ihr Hauptmann, ein gewisser Grimaud, drückte sich sehr grob aus.«
    »So war es also Grimaud, der sie bespitzelte und verhaftete«, sagte Uthman. »Dieser elende Hund hat sich bei uns eingeschlichen.«
    »Er ist ein Fremder«, sagte der Wirt. »Kein Mensch kennt ihn hier. Man sagt, er komme aus Lapethos.«
    »Woher auch immer«, wehrte Uthman ab. »Ich hoffe, meine Freunde bekommen wenigstens einen fairen Prozess.«
    »Wenn sie in Famagusta eingekerkert werden? Das glaube ich nicht«, sagte der Wirt. »Dort verschwinden Gefangene einfach.«
    »Diese Hunde!«, murmelte Uthman noch einmal. Er musste an Madeleine denken, er konnte sich vorstellen, in welcher Verfassung sie jetzt war.
    »Bitte packt Eure Sachen und zieht aus!«, flehte der Wirt. »Ich will keinen Ärger bekommen!«
    »Schon gut«, erwiderte Uthman verächtlich. »Ich reite sofort ab. Was bin ich Euch schuldig?«
    »Ihr müsst die ganze Rechnung begleichen«, jammerte der Wirt. »Auch die Zimmer der anderen.«
    »Wendet Euch mit

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