Das neue Evangelium
ihm Sorge. Am Morgen hatte er entdeckt, dass sich in seinem Garten ein Loch aufgetan hatte, durch das ein seltsames Tier nach oben gekrochen kam, wie er noch keins gesehen hatte. Es trug Hörner, hatte eine lange Schnauze, und über den Augen lagen Wülste wie bei einem Drachen. Der Statthalter hatte sein Schwert geholt und das Tier in zwei Hälften gehauen. Anschließend hatte er zwei Kreuze geschlagen und die Bestie verbrannt.
Ein Bediensteter meldete die Ankunft eines französischen Hauptmanns aus Paris. Pierre de Libertin war entzückt. Vielleicht ließ sich mit dem Mann, wenn er gebildet genug war, über den Bois de Boulogne plaudern. Der Statthalter hatte selbst noch erlebt, wie man mit dem Bau dieses einzigartigen Stadtparks im Herzen von Paris begonnen hatte.
Der Hauptmann trat ein und salutierte. Der Statthalter erhob sich und gab ihm die Hand. Der Hauptmann stellte sich als Johann Lochan aus Paris vor.
»So? Gab es nicht einen verurteilten Templer dieses Namens?« Der Statthalter lachte.
»Davon weiß ich nichts, Exzellenz«, erwiderte der Hauptmann. »Mir waren diese Prozesse zuwider, ich kümmerte mich nicht um Namen.«
»Was ist Euer Begehr, Hauptmann?«
»Ich muss die Gefangenen nach Frankreich bringen. Wir sind ihnen schon lange auf den Fersen. Jetzt werden sie nach Lapethos gebracht und von dort auf einem Schiff, das schon wartet, nach Frankreich überführt. Sie werden in Paris öffentlich als Ketzer verbrannt.«
»Ah!«, sagte der Statthalter. »Die gnadenlose Justiz von Paris funktioniert also noch immer, wie? Mir war es immer lieber, wenn verurteilte Verbrecher insgeheim hingerichtet wurden. Im Morgengrauen, im Gefängnishof. Es ist doch wahrlich kein erbauliches Schauspiel!«
»Das ist es gewiss nicht, Exzellenz«, sagte der Hauptmann. »Aber ich bin dafür nicht zuständig. Ich führe nur meinen Befehl aus.«
»Sicher. Gebt mir also die Auslieferungspapiere.«
Der Hauptmann schluckte. Dann sagte er: »Ihr werdet verstehen, dass die Sache geheim bleiben muss, Statthalter. Wisst Ihr überhaupt, welche prominenten Gefangenen Ihr da habt?«
»Nun, Hauptmann Grimaud hat mir Bericht erstattet. Es sollen zwei ehemalige Templer darunter sein, nicht wahr? Es ist mir gleich. Aber Hauptmann Grimaud tat sehr wichtig.«
»Es sind Staatsfeinde, Exzellenz.«
»Nun gut, also bitte die Auslieferungspapiere.«
»Ich führe keine mit mir, Exzellenz.«
»Wie? Keine Papiere?«
»Nein, Exzellenz. Man beschloss in Paris, dass ich allein die Sache autorisieren soll. Jedes Papier des Königs kann auf einem so weiten Weg abhanden kommen. Stellt Euch vor, Ketzer und Unruhestifter rauben es! Es wäre eine Blankovollmacht! Damit könnten alle Gefangenen in jeder Burg auf Zypern befreit werden! Nein! Wir stellen keine Papiere aus. Ich handele in des Königs persönlichen Auftrag!«
»Ich verstehe. Ich kann Euch die Gefangenen aber dennoch nicht ausliefern.«
»Bedauerlich, Exzellenz! Warum nicht, Exzellenz?«
»Ich kann es einfach nicht, das muss Euch genügen.«
»Ihr weigert Euch, Exzellenz, den Befehl des Königs von Frankreich zu befolgen?«
»Nein. Aber ich habe dem Hauptmann Grimaud versprechen müssen, nichts mit diesen Gefangenen anzustellen, weder das eine noch das andere, bis er wieder zurück ist. Das wird in gut einer Stunde der Fall sein. Wartet, bis Grimaud mit seiner Garde aus der Stadt zurück ist. Dann einigt Euch mit ihm.«
»Grimaud ist ein Trottel, Exzellenz! Verzeiht diese heftigen Worte! Aber es ist so, dass er diese Verbrecher schon so lange verfolgt, und wir ihn gewähren ließen. Er versagte, verfehlte den Zugriff, einige tote Männer gehen auf sein Konto. Er hat in dieser Angelegenheit nichts mehr zu sagen. Übergebt mir die Verbrecher, und ich werde dem König höchstpersönlich berichten, wie verantwortungsbewusst und kompetent Ihr seid.«
Der Statthalter lächelte geschmeichelt. »Legt ein Wort für mich bei Hofe ein! Ich will weg aus Famagusta. Die Stadt versinkt ja im Sand. Da nützen alle Aufmärsche und Prunkprozessionen nichts. Es ist mir alles zuwider! Ich will fort aus diesem ungesunden Klima und zurück nach Paris. Wenn Ihr es schafft, das beim König zu bewirken, dann bin ich Euch ewig zu Dank verpflichtet.«
»Ich werde ein Wort für Euch einlegen, verlasst Euch darauf. Ach ja, Paris mit seinen prächtigen Bauten und dem Bois de Boulogne!«
»Ah! Welch ein wunderbarer Ort!«
»Und dann natürlich der Hof!«
»Herrlich! Ganz außerordentlich! Setzt Euch doch.
Weitere Kostenlose Bücher