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Das neue Evangelium

Das neue Evangelium

Titel: Das neue Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mattias Gerwald
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von Akkon erzählt hatte, suchte ihn ein Gedanke heim, der ihn seitdem nicht mehr losließ.
    Das neue Evangelium hielt alle wirkliche Pein für ihn bereit, egal, ob er in Freiheit war oder nicht. Sein Leben war ebenso auf Treibsand gebaut wie diese Stadt Famagusta, vor der alle gewarnt hatten. Alles brach zusammen, alte Wahrheiten, der richtige Glaube, die Fundamente einer Stadt.
    Der Herrgott hatte beschlossen, allem ein Ende zu bereiten, das stand außer Zweifel. Wer Sinne hatte, dies zu empfinden, der musste sich auf alles gefasst machen.
    Henri wurde in seinen trüben Gedanken durch Lärm aufgeschreckt. Eine Fackel fiel zu Boden, wurde dann wieder aufgenommen. Etliche Gestalten polterten von oben die Treppe herunter. Seine Gefährten stießen Schreckensschreie aus. Henri blickte auf und begriff sofort die Lage.
    Es durfte nicht sein, dass sie kurz vor dem Erreichen der Freiheit erneut in ein Verlies geworfen wurden! Sie mussten kämpfen! Aber er fühlte sich so müde!
    »Da sind sie!«, rief von oben eine Stimme, die Henri sofort als die von Grimaud erkannte. »Der Anführer ist ein Mörder! Er hat einen französischen Hauptmann auf dem Gewissen. Ergreift alle zusammen mit dem Heiden, stört euch nicht an seiner Uniform und werft sie in das tiefste Verlies!«
    »Henri!«, schrie eine Stimme. Und er wusste sofort, dass es sein Freund Uthman war, der da rief.
    Mein Gott, Uthman! Was tat er an diesem entsetzlichen Ort? Wo war er!
    »Uthman?« Henri sah im Halbdunkel nicht richtig. Er kam nur langsam zu sich. Mein Gott, war Uthman hier, hatten sie auch ihn gefangen? Oder kam er, um sie zu befreien?
    »Uthman!«, schrie jetzt auch Madeleine. »Vorsicht!«
    Uthman riss sich die Uniformjacke des französischen Hauptmanns vom Leib. Er warf sie dem heranstürmenden Grimaud ins Gesicht. Der Hauptmann schrie auf, fluchte wild und schleuderte die Jacke fort. Uthman war blitzschnell bei ihm. Er holte aus – und mit einem einzigen Hieb schlug er Grimaud den Kopf vom Hals.
    Die Gardisten schrien auf, vor Wut und vor Angst. Uthman ergriff das mit Blut besudelte Schwert Grimauds und warf es Jesus de Burgos zu. Dann schlug er einen Wächter nieder, entriss ihm die Hellebarde und warf sie Ludolf zu.
    Ludolf hatte von hinten einen der Wächter umklammert, mit Hilfe von Madeleine gelang es ihm, den Mann zu Boden zu werfen. Madeleine ergriff dessen Hellebarde. Mit vorgereckter Waffe hielt sie in dem engen Gang die anstürmenden Soldaten in Schach.
    Sean blieb an die Wand gelehnt stehen. Er konnte nicht eingreifen.
    Henri erwachte langsam aus seinem Trübsinn. Noch einmal vernahm er die Stimme seines Freundes. Sie klang jetzt verzweifelt. Uthman rief:
    »Henri, hilf uns! Sonst schaffen wir es nicht!«
    »Es ist gleich, Uthman«, sagte Henri wie betäubt. »Es ist doch so gleich.«
    »Nein, das ist es nicht, Henri!«, schrie Uthman. Er hieb auf die Soldaten vor sich ein. »Denn du täuschst dich! Auch ich wurde getäuscht. Denn dieses Evangelium…«
    Uthman konnte mit seiner Erklärung nicht fortfahren, denn er musste den Angriff von zwei Soldaten abwehren, die den Kopf ihres Hauptmanns mit der Stiefelspitze zur Seite stießen.
    »… Dieses neue Evangelium, Henri… dieses Evangelium… es… es ist eine Fälschung!«
    Henri hob den Kopf. Er sah, wie die Gefährten verzweifelt versuchten, sich der Übermacht zu erwehren. Sie kämpften tapfer, aber es konnte nicht gelingen. Die Soldaten waren in der Überzahl.
    Schon sah Henri, dass sich das Blatt wendete, die Soldaten begannen damit, die Gefährten zurückzudrängen. Schritt für Schritt ging es wieder zurück in den Gang. Der Weg in die Freiheit war versperrt.
    »Das Barnabas-Evangelium, was ist damit?«, rief Henri. Er hatte den letzten Satz des Freundes nicht verstanden.
    Uthman schlug hierhin und dorthin. Rechts und links sanken Feinde zu Boden. Aber nun geriet er selbst in Bedrängnis.
    Zwei Soldaten hatten sich an der Seite vorbeigeschlichen und griffen jetzt hinterrücks an. Madeleine erkannte die Gefahr und warnte die anderen. Jesus de Burgos und Ludolf von Suchen machten schnelle Schritte nach vorn, sie versuchten, eine Kampfposition einzunehmen. Henri sah ihre verzerrten Mienen. Plötzlich hatten sie freie Bahn und brachen durch. Sie spießten die Soldaten mit ihren Hellebarden auf. Die Gardisten ließen ihre Waffen fallen und brachen in die Knie.
    »Hast du nicht verstanden?«, rief Uthman. »Das Barnabas-Evangelium ist eine Fälschung! So leid es mir tut, ich muss es

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