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Das neue Philosophenportal

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Titel: Das neue Philosophenportal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Zimmer
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Rezension.
    Die Verteidigung des Ideals der allseitig entwickelten Persönlichkeit, das er in den Schriften Goethes und Coleridges kennen
     gelernt hatte, fand er in der Schrift des Deutschen Wilhelm von Humboldt,
Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen
, wieder. Das 1851 im Original und 1854 in englischer Übersetzung erschienene Buch zog aus dem Goethe’schen Ideal politische
     Konsequenzen: »Der wahre Zweck des Menschen«, so schreibt Humboldt, »ist die höchste und proportionierlichste Bildung seiner
     Kräfte zu einem Ganzen. Zu dieser Bildung ist Freiheit die erste und unerlässlichste Bedingung.« Das Stichwort »Freiheit«
     war gefallen.
    Den entscheidenden Anteil daran, dass aus diesen philosophischen Anstößen die Freiheitsschrift entstand, hatte aber Harriet
     Taylor. In den frühen 1850er Jahren, als beide an Tuberkulose erkrankt waren und glaubten, nicht mehr viel Zeit zu haben,
     verfielen Harriet und Mill gemeinsam auf die Idee, ihre wichtigsten philosophischen Gedanken in einem Essayband zu versammeln.
     Einer von elf geplanten Essays sollte das Thema »Freiheit« behandeln. Harriet Taylor hatte bereits in einem unveröffentlichten
     Essay mit dem Titel »Toleration« das Recht des Individuums herausgestellt, auch eine Außenseiterexistenz gegen die Vorurteile
     der Gesellschaft durchzusetzen.
    Daran anknüpfend entwickelte Mill seine Gedanken über die Freiheitsansprüche, die das Individuum gegenüber der Gesellschaft
     hat. Nach eigenem Zeugnis ging er mit Harriet jede einzelne Zeile des Manuskripts mehrmals durch. Das Buch, das Mill als die
     am sorgfältigsten konzipierte seiner Schriften bezeichnete, sei, so schrieb er, »ebenso ihr geistiges Eigentum wie das meine«.
    Die Ausarbeitung des Essays kostete allerdings mehrere Jahre. Eine erheblich kürzere Frühfassung war schon 1854 fertig gestellt.
     Auf einer Italienreise habe er dann, so Mill, im Januar 1855 auf den Stufen des Kapitols in Rom den Plan gefasst, das Freiheitsthema
     zu einem Buch auszuarbeiten. Aber erst nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst der East India Company konnte er die Schrift
     vollenden. Im Winter 1858   /   59 legte er letzte Hand an das Manuskript.
On Liberty
, wie die Schrift im englischen Original heißt, ist mehr als ein philosophischer Essay: Sie ist ein Denkmal für Harriet Taylor,
     dienoch vor der Publikation des Buches verstorben war und der es gewidmet ist.
    Mill macht gleich zu Beginn seiner Schrift klar, dass es ihm nicht um jene Art Freiheit geht, die die Philosophen als »Willensfreiheit«
     bezeichnen und die in der Fähigkeit besteht, die naturgesetzliche Kette von Ursachen und Wirkungen durch eigene Handlungsentscheidungen
     zu durchbrechen. Diese Freiheit ist ein angestammtes Thema der Metaphysik. Mill geht es vielmehr um die bürgerliche und soziale
     Freiheit, also jene Freiheit, die Thema der politischen Philosophie und Gesellschaftstheorie ist. Sie bezeichnet den Handlungsspielraum,
     den der Einzelne gegenüber der Gesellschaft hat.
Über die Freiheit
ist Mills Stellungnahme zum ewigen Kampf zwischen Individuum und Gesellschaft, zwischen Freiheit und Autorität.
    Gleich im Einleitungskapitel seiner Freiheitsschrift greift Mill Tocquevilles These von der »Tyrannei der Mehrheit« auf, die
     sich mit seinen eigenen Erfahrungen in der viktorianischen Gesellschaft deckte. Die Verfechter der Freiheit hätten sich in
     der Vergangenheit, so Mill, im Namen des Volkes gegen die Unterdrückung der Mehrheit durch eine ungerechtfertigte Minderheitenherrschaft
     gewandt. Nun aber, da im Zuge der Aufklärung Herrschaft sich durch den Willen der Mehrheit legitimiere, sei eine neue Gefahr
     entstanden: die Gefahr nämlich, dass im Namen der Mehrheit unterdrückt werde. Mill spielt hier auf die Lehre von der Volkssouveränität
     an, die Jean-Jacques Rousseau in seinem
Gesellschaftsvertrag
entwickelt hatte. Danach repräsentiert der Staat, der durch einen solchen Gesellschaftsvertrag entstanden ist, den »Gemeinwillen«,
     der niemals ungerecht sein kann, weil er als solcher schon den Willen des Volkes repräsentiert. Demgegenüber weist Mill darauf
     hin, dass »das Volk, welches die Macht ausübt, nicht immer dasselbe Volk ist, über welches es sie ausübt«. Auch eine Volksregierung
     kann Unterdrückung und Zwang einsetzen. Und auch hier gibt es Minderheiten und Andersdenkende, gegen die sich dann eine neue
     »Tyrannei der Mehrheit« richtet.
    Diese neue

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