Das Nibelungenlied
· ein schlimmer Jagen sein.
Ihr Beutewild beweinte · noch manches edle Weib:
Sein mußte bald entgelten · viel guter Weigande Leib.
Von großem Übermute · mögt ihr nun hören sagen
Und schrecklicher Rache · Bringen ließ Hagen
Den erschlagnen Siegfried · von Nibelungenland
Vor eine Kemenate · darin sich Kriemhild befand.
Er ließ ihn ihr verstohlen · legen vor die Tür,
Daß sie ihn finden müsse · wenn morgen sie herfür
Zu der Mette ginge · frühe vor dem Tag,
Deren Frau Kriemhild · wohl selten eine verlag.
Da hörte man wie immer · zum Münster das Geläut:
Kriemhild die schöne · weckte manche Maid.
Ein Licht ließ sie sich bringen · dazu auch ihr Gewand;
Da kam der Kämmrer einer · hin, wo er Siegfrieden fand.
Er sah ihn rot von Blute · all sein Gewand war naß:
Daß sein Herr es wäre · mit nichten wüßt' er das.
Da trug er in die Kammer · das Licht in seiner Hand,
Bei dem da Frau Kriemhild · viel leide Märe befand.
Als sie mit den Frauen · zum Münster wollte gehn,
»Frau,« sprach der Kämmerer · »wollt noch stille stehn:
Es liegt vor dem Gemache · ein Ritter totgeschlagen.«
»O weh«, sprach da Kriemhild · »was willst du solche Botschaft
sagen?«
Eh' sie noch selbst gesehen · es sei ihr lieber Mann,
An die Frage Hagens · hub sie zu denken an,
Wie er ihn schützen möchte · da ahnte sie ihr Leid.
Mit seinem Tod entsagte · sie nun aller Fröhlichkeit.
Da sank sie zur Erden · kein Wort mehr sprach sie da;
Die schöne Freudenlose · man da liegen sah.
Kriemhildens Jammer · wurde groß und voll;
Sie schrie nach der Ohnmacht · daß all die Kammer erscholl.
Da sprach ihr Gesinde · »Es kann ein Fremder sein.«
Das Blut ihr aus dem Munde · brach vor Herzenspein.
»Nein, es ist Siegfried · mein geliebter Mann:
Brunhild hat's geraten · und Hagen hat es getan.«
Sie ließ sich hingeleiten · wo sie den Helden fand;
Sein schönes Haupt erhob sie · mit ihrer weißen Hand.
So rot er war von Blute · sie hat ihn gleich erkannt:
Da lag zu großem Jammer · der Held von Nibelungenland.
Da rief in Jammerlauten · die Königin mild:
»O weh mir dieses Leides! · Nun ist dir doch dein Schild
Mit Schwertern nicht verhauen! · dich fällte Meuchelmord.
Und wüßt' ich wer der Täter wär' · ich wollt es rächen immerfort.
All ihr Ingesinde · klagte laut und schrie
Mit seiner lieben Frauen · heftig schmerzte sie
Ihr edler Herr und König · den sie da sahn verlorn.
Gar übel hatte Hagen · gerochen Brunhildens Zorn.
Da sprach die Jammerhafte · »Nun soll einer gehn
Und mir in Eile wecken · die in Siegfrieds Lehn
Und soll auch Siegmunden · meinen Jammer sagen,
Ob er mir helfen wolle · den kühnen Siegfried beklagen.«
Da lief dahin ein Bote · wo er sie liegen fand,
Siegfriedens Helden · von Nibelungenland.
Mit den leiden Mären · die Freud' er ihnen nahm;
Sie wollten es nicht glauben · bis man das Weinen vernahm.
Auch kam dahin der Bote · wo der König lag.
Siegmund der Herre · keines Schlafes pflag,
Als ob das Herz ihm sagte · was ihm war' geschehn,
Er sollte seinen lieben Sohn · lebend nimmer wiedersehn.
»Wacht auf, König Siegmund! · Mich hieß nach euch gehn
Kriemhild, meine Herrin · der ist ein Leid geschehn,
Das ihr vor allem Leide · wohl das Herz versehrt;
Das sollt ihr klagen helfen · da es auch euch widerfährt.«
Auf richtete sich Siegmund · und sprach: »Was beklagt
Denn die schöne Kriemhild · wie du mir hast gesagt?«
Der Bote sprach mit Weinen · »Ich muß euch alles sagen:
Es liegt von Niederlanden · der kühne Siegfried erschlagen.«
Da sprach König Siegmund · »Laßt das Scherzen sein
Mit so böser Märe · von dem Sohne mein
Und sagt es niemand wieder · daß er sei erschlagen,
Denn ich könnt' ihn nie genug · bis an mein Ende beklagen.«
»Wollt ihr denn nicht glauben · was ihr mich höret sagen,
So vernehmet selber · Kriemhilden klagen
Und all ihr Ingesinde · um Siegfriedens Tod.«
Wie erschrak da Siegmund! · Es schuf ihm wahrhafte Not.
Mit hundert seiner Mannen · er von dem Bette sprang.
Sie zuckten zu den Händen · die scharfen Waffen lang
Und liefen zu dem Wehruf · jammersvoll heran.
Da kamen tausend Recken · dem kühnen Siegfried untertan.
Als sie so jämmerlich · die Frauen hörten klagen,
Da kam vielen erst in Sinn · sie müßten Kleider tragen.
Wohl mochten sie vor Schmerzen · des Sinnes Macht nicht haben:
Es lag in ihrem Herzen · große Schwere begraben.
Da kam der König Siegmund · hin, wo er Kriemhild
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