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Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence

Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence

Titel: Das nicht ganz perfekte Leben der Mrs. Lawrence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Robertson
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Vielleicht hätte er sogar Lust, im Leben seines Sohnes eine Rolle zu spielen. Aber Aishe war nicht bereit, Gulliver zu teilen. Jedenfalls noch nicht.
    Die Sache mit dem Geld war weniger riskant, barg aber ebenfalls einige Fallstricke. Aishe hatte ihr ganzes Leben darauf gegründet, eigenständig zu sein– und auch als solches gesehen zu werden. Sie wäre lieber gestorben, als sich jemandem verpflichtet zu fühlen. Als sie erfuhr, dass Frank ihr eine beträchtliche Summe hinterlassen hatte, war sie rasend vor Zorn gewesen. Wie konnte er es wagen? Er wusste doch, was sie davon hielt! Am schlimmsten war, dass sie es ihm jetzt, wo er tot war, nicht mehr heimzahlen konnte! Zum Teufel mit ihm!
    Sie hatte dem verblüfften Anwalt erklärt, das Geld nicht anzunehmen. Sie sagte, sie hätte erwartet, Frank würde es jemandem aus seiner Familie hinterlassen, nicht ihr. Das könnte schwierig werden, hatte der Anwalt entgegnet, da Frank keine noch lebenden direkten Angehörigen hätte. Genau genommen, hatte er hinzugefügt, sind Sie seine ganze Familie. Aber wenn Sie wollen, hatte er achselzuckend hinzugefügt, können Sie das Geld auch spenden, schließlich gehört es ja Ihnen. Meinen Glückwunsch, Mrs. Lewis, hatte er geendet, Sie sind jetzt eine reiche Frau.
    Allein die Vorstellung widerstrebte Aishe zutiefst. Sie konnte nicht reich sein. Nur egozentrische, eingebildete Kühe waren reich. Frauen, die sich für etwas Besseres hielten, weil sie Geld hatten. Oder eher: weil sie Männer mit Geld hatten. Reiche Frauen waren weder unabhängig noch mutig. Sie waren engstirnig, borniert und ein Leben lang im Knebel gesellschaftlicher Konventionen und Erwartungen.
    Sie war haarscharf davor gewesen, dem Vorschlag des Anwalts zu folgen und alles zu spenden. Doch dann hatte ihr gedämmert, dass ihr das Geld ungeahnte Möglichkeiten eröffnete. Auch wenn Gulliver damals noch klein war– erst drei–, eines Tages würde er erwachsen sein. Sie konnte das Geld für ihn aufbewahren, damit er einmal Aussichten hatte.
    Das Problem war nur, dass sie Banken nicht traute– genauso wenig wie Investmentberatern oder irgendjemand anderem, der angeblich wusste, was sie mit ihrem Geld anstellen sollte. Diese aalglatten Typen würden ihr Geld nur in die Finger kriegen, wenn sie ihr Grab ausraubten. Und sie würde da für sorgen, dass man bei ihr extra tief graben musste.
    Andererseits war es wirklich eine Menge Geld, dachte sie. Zu viel für die Matratze. Also kapitulierte Aishe und bat ihren Cousin Patrick um Hilfe, allerdings nicht, ohne ihn vorher unter Androhung der Todestrafe (dies betonte sie ausdrücklich) auf Verschwiegenheit schwören zu lassen. Auf seinen Rat hin kaufte sie das Haus in Marin. Damals war es ihr wahnsinnig teuer vorgekommen, aber Patrick hatte behauptet, in der Wohngegend stecke Potential. Er behielt recht– der Wert ihres winzigen Hauses hatte sich im Laufe der letzten zehn Jahre verdoppelt. Gegen Patricks Rat hatte Aishe– weil sie es nicht ertragen konnte, ihm in allem zu folgen– fast den gesamten Rest ihres Geldes auf dem Höhepunkt des Dotcom-Booms in NASDAQ -Aktien gesteckt. Acht Monate später brach der Markt zusammen und reduzierte den Wert ihrer Aktien auf den eines abgestempelten Busfahrscheins. Was ihr blieb, war ein hypothekenfreies Haus und (wieder auf Patricks Rat, für den sie ihm zähneknirschend dankbar war) ein Portfolio bei einer angesehenen Beraterfirma, das ihr jährlich gerade genug einbrachte, um davon leben zu können. Obwohl Aishe schon vor langer Zeit beschlossen hatte, Gulliver niemals für einen Job zu vernachlässigen, wusste sie, dass sie wahrscheinlich einen Teilzeitjob finden würde, der sie einigermaßen über die Runden brachte. Da der Verlust ihres Vermögens allerdings ganz allein ihre Schuld war, hatte sie den Kellnerjob als eine Art Buße angenommen– auch damit sie nie vergaß, wie knauserig ihr Leben vermutlich gewesen wäre, wenn Frank sich nicht in ihr Leben geschlichen hätte. Ihrer beider Leben, ihres und Gullivers.
    » Gull?«, fragte sie. » Weißt du eigentlich, woher ein Großteil unseres Geldes stammt?«
    Gulliver hielt mitten im Essen inne und starrte sie an. Dies war eindeutig nicht die Art von Fragen, die seine Mutter stellte. Er schluckte seinen Bissen hinunter und antwortete ehrlich, aber vorsichtig: » Von Frank?«
    » Wie kommst du darauf?«, fragte Aishe.
    Gulliver zuckte die Achseln. » Das Haus gehört dir, und ich kann mich nicht erinnern, dass du jemals einen

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