Das Niebelungenlied
müssen uns hüten, sie fortzulassen, bevor wir uns selbst auf den Weg machen in sieben Tagen. Wenn jemand etwas Böses gegen uns vorhat, merken wir es desto besser. So kann auch Kriemhilt niemanden gegen uns gewinnen. Wenn sie das aber vorhat, wird es ihr übel ergehen. Wir haben auserlesene Kämpfer bei uns.« Die Schilde und Sättel und Gewänder, die sie in Etzels Land mitnehmen wollten, waren nun fertig. Gunther ließ die Boten Kriemhilts zu sich bitten. Gêrnôt teilte ihnen mit: »Der König will Etzels Vorschlag annehmen. Wir wollen gern zu einem Fest kommen und unsere Schwester wiedersehen, das ist gewiß.« Gunther fragte, wann dasFest sei und wann sie kommen sollten. »Zur nächsten Sonnenwende«, sagte Swämmel. Der König erlaubte ihnen, da es noch nicht geschehen war, Frau Prünhilt aufzusuchen, aber Volkêr verhinderte es, und das war ihr lieb. »Meine Herrin ist nicht in der Stimmung, Euch zu empfangen«, sagte er. »Wartet bis morgen, dann werdet Ihr sie sehen können.« Aber dann wurden sie wieder nicht vorgelassen. Der König ließ den Boten von seinem Gold herantragen auf breiten Schilden, denn er war ihnen freundlich gesinnt. Auch seine Verwandten beschenkten sie reichlich. Gîselher und Gêrnôt und Gêre bewiesen ihre Freigebigkeit. Sie boten ihnen so viel an, daß sie es aus Rücksicht auf ihren Herrn nicht zu nehmen wagten. Wärbel sagte: »Herr König, gebt uns nichts mit. Wir können es nicht annehmen, weil unser Herr uns verboten hat, Geschenke anzunehmen, und es ist auch wirklich nicht nötig.« Da wurde der Burgundenkönig unmutig, weil sie die Gaben eines so mächtigen Königs ablehnten, und sie mußten sie doch annehmen und in Etzels Land mitnehmen. Die Spielleute wollten Uote noch einmal sehen vor der Abreise, und Gîselher brachte sie zu seiner Mutter. Die Königin trug ihnen auf zu sagen, daß sie sich freue über Kriemhilts angesehene Stellung. Sie ließ ihnen Bänder und Gold geben, um ihrer Herrin und Etzels willen, das konnten sie gern annehmen, denn es geschah aus Dankbarkeit.
Dann nahmen sie von jedermann Abschied und ritten fröhlich bis Schwaben, bis dahin ließ Gêrnôt sie von seinen Männern begleiten, damit niemand unfreundlich gegen sie handelte. Als sie sich von ihren Begleitern getrennt hatten, verschaffte wieder Etzels Macht ihnen Schutz und Frieden auf allen Wegen, sie wurden nicht beraubt. Mit großer Eile ritten sie ins Hunnenland. Wo sie Freunde hatten, erzählten sie, daß die Burgunden in kurzer Zeit nach Ungarnkommen würden. Auch der Bischof Pilgrîn erfuhr davon. Als sie an Pöchlarn vorbeikamen, sagten sie es Rüedegêr und Gotelint, die sich sehr auf die Ankunft freute. Man sah die Spielleute mit ihrer Botschaft umhereilen. Etzel trafen sie in der Stadt Gran, sie brachten ihm Grüße über Grüße, da errötete er vor Freude. Als die Königin erfuhr, daß ihre Brüder kommen würden, war ihr sehr wohl zumute, und sie belohnte die Spielleute mit großen Geschenken. Sie fragte: »Nun sagt, Wärbel und Swämmel, welche von meinen Verwandten werden zu unserem Fest kommen? Erzählt, was sagte Hagen, als er die Einladung hörte?« Sie antworteten: »Er kam an einem Morgen zur Beratung und tat wenig freundliche Äußerungen. Als sie die Reise zusagten, schien ihm das den Tod zu bedeuten. Eure Brüder, die drei Könige, kommen in sehr zuversichtlicher Stimmung. Wer alles dabeisein wird, kann ich Euch gar nicht sagen. Volkêr, der Spielmann, wird mit ihnen reiten.« – »Volkêr kann ich leicht entbehren hier«, sagte die Königin. »Aber Hagen bin ich gewogen, das ist ein guter Ritter. Daß er uns besuchen wird, ist mir eine große Freude.« Sie suchte den König auf und sagte freundlich: »Wie gefallen Euch die Nachrichten, lieber Herr? Was ich je gewünscht habe, das soll nun erfüllt werden.« – »Dein Wille ist meine Freude«, erwiderte der König. »An meinen eigenen Verwandten bin ich nie so recht froh geworden, wenn sie mich besuchten in meinem Reich. Durch den Besuch deiner Verwandten ist mir alle Trübsal verflogen.« Die Dienstleute des Königs ließen Saal und Palast überall mit Gestühl ausstatten für die Gäste, die den König ins Unglück bringen sollten.
25 . WIE DIE NIBELUNGEN ZU DEN HUNNEN REISTEN 3
Verlassen wir nun die Vorbereitungen in Ungarn, und wenden wir uns den Burgunden zu! Nie unternahmen stolzere Ritter eine Reise. Es gebrach ihnen an nichts.
Der König am Rhein kleidete seine Männer für das Fest; meines Wissens waren es
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