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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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sind.«
    »Ich kann ihr bestimmt helfen, Max.«
    »Sie ist eigentlich nicht
krank
, aber sie ist, na ja, komisch. Sie ist so unbeholfen und linkisch und …«
    »Und unglücklich.«
    »Sehr schwer, sie irgendwohin mitzunehmen. Die Leute gaffen, weißt du. Das Schielen und die vorstehenden Zähne sind schon schlimm genug. Aber sie macht auch keinerlei Anstalten, anmutig zu sein oder …«
    »Ja, ich weiß. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich sie treffen könnte, und werde tun, was in meiner Macht steht.«
    »Ich weiß nicht genau, was für eine Technik du anwendest. Wenn Mary und ich in irgendeiner Weise behilflich sein können?«
    »Also, es ist Folgendes, Max. Ihr müßt mir vertrauen, weißt du. Es wäre mir lieber, wenn ihr nicht dabei seid, wenn ich bei ihr bin.«
    »Natürlich, natürlich. Ganz wie du willst. Und du bist wirklich bei Kräften? Ich meine, du bist kein besonders starker Junge, so wie du aussiehst. Wir wollen dich nicht erschöpfen.«
    »Ich bin durchaus stark. Mein Geist erholt sich ziemlich schnell wieder. Solange ich ihn nicht verschwende.«
    »Ausgezeichnet.«
    Sie verstummten. Ich streckte, so geräuschlos ich konnte, ein eingeschlafenes Bein aus. Vielleicht waren sie gegangen. Ich überlegte, ob ich aufstehen, ans Fenster gehen und hinausspähen sollte. Dann hörte ich einen Kieselstein in den See platschen und wußte, daß sie noch da waren. Es wurden noch einige Steine geworfen, bevor David sprach.
    »Was habt ihr Clara von mir erzählt?«
    »Also, wir haben erwähnt, daß die Möglichkeit besteht, daß du ihr vielleicht helfen kannst.«
    »Und wie fühlt sie sich dabei?«
    »Clara ist vierzehn Jahre alt und wird tun, was man ihr sagt«, versetzte Max harsch. Er mußte gemerkt haben, wie herzlos das klang, denn er fügte hastig hinzu, »nicht, daßman es ihr sagen muß. Nein, sie ist ganz begeistert. Ihr Schielen und ihre Zähne und ihre verdammt unkoordinierte Ungeschicklichkeit. Die sind ein hartes Los für sie. Für uns alle.«
    »Wo ist sie jetzt?«
    »Mit Simon unterwegs, hat ihre Mutter gesagt. Macht mit ihm Mist in den Ställen. Oder eher, mistet mit ihm die Ställe aus. Soll ich sie zu dir schicken?«
    »Heute nachmittag, wenn das paßt. Nach dem Essen.«
    »Ja. Ja, du solltest erst was essen, glaube ich. Ah, wo genau wirst du’s machen?«
    »Weiß ich nicht genau, Max. Vielleicht machen wir einen Spaziergang. Aber wir müssen wirklich unter uns sein. Wir müssen völlig allein sein.«
    »Wie du willst, wie du willst … ich bin dir sehr dankbar. Mary und ich sind dir beide sehr …«
    Max’ Stimme wurde leiser, und ich war wieder mir selbst überlassen.
    Ich wandte mich wieder meinem Notizbuch zu und vervollständigte vorläufig meine Liste.
     
    20. Vielleicht erhalte ich bald ein Zeugnis meiner Augen. Es ist wohl das beste, ich enthalte mich bis dahin eines Urteils.
     
    Vor dem Mittagessen schaute ich bei Michael vorbei. Er diktierte einen Brief. Er sah ausgeglichener und selbstgewisser aus als bei unserem letzten Gespräch. Sein Geschäftsgesicht, nahm ich an. Anscheinend freute er sich, mich zu sehen. Andererseits hatte er sich anscheinend auch eine Woche zuvor gefreut, mich zu sehen, wo ihn, wie ich jetzt wußte, meine Anwesenheit in Wirklichkeit schwer genervt hatte. Nach allem, was ich weiß, hat sich in dieserWelt noch keiner gefreut, mich zu sehen, aber einige konnten das besser verbergen als andere.
    »Ahoi, Tedward! Wie läuft’s denn so heute morgen?«
    »Bloß auf ein Wort, Michael.«
    »Danke, Valerie. Ich werde mich dann mit Mr. Wallace unterhalten.«
    »Ja, Lord Logan.«
    Valerie glitt hinaus und schloß die Tür hinter sich.
    »Also, was gibt’s Neues, was hast du zu sagen?«
    Ich setzte mich in den Sessel auf der anderen Seite des Tisches. »Du hast von Oliver gehört?«
    Michael seufzte und trommelte mit den Fingern gegen die Schläfe.
    »Annie war hier. Sehr verärgert. Sie sagte, sie habe Davey gestern gebeten, sich mit niemandem zu treffen, ohne ihr vorher Bescheid zu sagen. Sie ist wütend, daß er nicht gehorcht hat. ›Natürlich gehorcht er nicht!‹ sagte ich ihr. ›Wenn meine Onkel mir, als ich in seinem Alter war, gesagt hätten, arbeite nicht mehr im Laden, Michael. Setz dich hin und hör Radio oder lies ein Buch, aber kein Gedanke mehr an Geschäfte und Kunden und Geld, glaubst du, ich hätte mich daran gehalten? Nie im Leben.‹ Aber Annie war damit nicht zufrieden.« Michael seufzte wieder und befreite eine neue Zigarre vom Zellophan. »Nun

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