Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
Vom Netzwerk:
brennt!«
    Eine erregte Stimme vor dem Fenster. Ich sprang auf. Die Kaffeetasse fiel mir aus dem Schoß und zerschellte auf dem Fußboden.
    Nicht Davids Stimme. Auch nicht Claras.
    Ich ging ans Fenster und schaute hinaus.
    Unter mir waren die Zwillinge, saßen auf dem Pfad, der zwischen der Rückseite der Villa Rotonda und dem Seeufer verlief. Einer von ihnen hielt ein Vergrößerungsglas in der Hand, der andere eine Schnecke. Ein Rauchfaden stieg von einem kleinen Loch im Schneckenhaus auf.
    »Hey!« rief ich.
    Sie drehten sich erschrocken und schuldbewußt um und grinsten, als sie sahen, wer es war.
    »Hallo, Onkel Ted.«
    »Wir machen einen Versuch.«
    »Also, ihr könnt hier keine Versuche machen«, sagte ich.
    Der Zwilling mit dem Vergrößerungsglas sah verärgert drein.
    »Warum nicht?«
    »Weil …« Ich suchte nach einem Grund. »Angenommen, euer Bruder David sieht euch. Ihr wißt doch, was er von Grausamkeit gegenüber Tieren hält.«
    »Das macht nichts.«
    »Davey ist im Wald.«
    »Ist er mit Clara hingegangen.«
    »Vor Ewigkeiten.« Vor Ewigkeiten? Vor
Ewigkeiten
? Ich sah auf meine Uhr. Zehn nach drei.
    Verdammt, Ted, du fetter Büffel. Verdammt, du riesige suhlende Titte. Du hast vierzig Minuten lang gepennt. Hättest du eine ganze, volle Tasse starken Kaffee gehabt, dann …
    Ich stürzte die Vorderstufen der Villa herab und zu den Zwillingen herum.
    »Wo?«
    »Wo was?«
    »Davey und Clara. Wo sind sie in den Wald gegangen?«
    Sie zuckten die Achseln.
    »Wissen wir doch nicht.«
    Sie zeigten über den See.
    »Da irgendwo.«
    »Sollen wir los und mit ihnen Verstecken spielen, ja?«
    »Nein, nein. Ihr bleibt hier. Ich wollte sie bloß … bloß einholen. Mit ihnen reden.«
    »Alles klar.«
    »Wir bleiben hier.«
    »Kannste wetten. Wir bleiben hier.«
    »Genau hier.«
    »Ganz genau hier.«
    Ich marschierte los, um den See herum, und verfluchte meinen faulen alten Körper. Genau, was ich gesagt hab. Energie. Mühe. Wo geht das alles hin?
    Ich stampfte durch den matschigen Gestank am Seeufer, meine Füße rissen das Gestrüpp aus Glaskraut, Sumpfschirm, Malven und Sumpfdotterblumen hoch. Vor mir lag das kleine Wäldchen, wo Davey und ich an meinem ersten Tag spazierengegangen waren. Es war jetzt feuchter, die Luft dunstgeschwängert, und oben türmten sich die Wolken zur Farbe von Oktopustinte.
    In diesem Gehölz blieb ich stehen und horchte. Lerchen, Buchfinken, Drosseln und Fliegen sangen, zwitscherten, tschilpten und summten. Kleine Mückenschwärme wirbelten und tanzten durchs dunklere Dickicht. So lautlos, wie dies einem schwergewichtigen Mann möglich ist, der sich über einen mit trockenen Zweigen und knackender Rinde bedeckten Boden bewegt, ging ich auf den dunkelsten, dichtesten Teil des Wäldchens zu.
    Irgendwo vor mir hörte ich Davids Stimme, ganz unterdrückt und heiser. Mich duckend, ging ich dem Geräusch nach, hob jeden Fuß hoch vom Boden und setzte ihn mit allem Feingefühl wieder ab, das mir zu Gebote stand. Die Mühe ließ mich wie eine Dampfwalze keuchen und hecheln. Schweiß sammelte sich in meinen Augenbrauen.
    »Siehst du also, der Geist muß einen Weg hineinfinden«, hörte ich Davids Stimme erklären.
    »Geist wie Luft?« fragte Clara.
    Ich kam hinter einem Dornenstrauch zum Stehen und spähte hindurch. Auf einer kleinen Lichtung, weniger als die Länge einer langen Cocktailbar von meinem Versteck entfernt, konnte ich Clara und David sehen, die auf dem Waldboden saßen. Clara kehrte mir ihre Seite zu, aber Davids Gesicht konnte ich deutlich erkennen. Er hatte kohlschwarze Jeans und ein weißes T-Shirt an. Seine Knie waren ein wenig angezogen, und seine Hand ruhte auf Claras Schulter. Ich atmete, so ruhig ich konnte.
    »Nein, nicht ganz wie Luft. Du weißt doch vom Geist des Mannes. Dem Geist, der Leben erschafft.«
    Clara kicherte. »Was, du meinst …
Sperma

    Eine Schweißperle lief herab und stach mir in die Augen. Die Helligkeit schwand, und die Luft war so stark aufgeladen, daß die Haut juckte.
    »Das ist kein Scherz, Clara. Wenn dieser Geist sehr rein und sehr heilig ist, kann er den Menschen, der ihn empfängt, ebenfalls sehr heilig und sehr rein machen.«
    Clara starrte ihn an. »Du willst doch nicht etwa …«
    Ich schluckte. Das hatte ich nicht erwartet. Ganz und gar nicht erwartet.
    »Ich habe nachgedacht. Weißt du, die Probleme, bei denen du meine Hilfe möchtest, liegen alle hier oben.«
    David strich ihr mit den Fingern ums Gesicht.
    »Weißt du, üblicherweise

Weitere Kostenlose Bücher