Das Nilpferd
Nachricht für Simon, schob sie in einen Umschlag und klebte ihn zu.
»Dunkle, dunkle Geheimnisse«, sagte Rebecca.
»Fürchterlich wichtig, alte Möhre. Du vergißt es auch nicht? Versprochen?«
Sie versprach’s.
»Und die Autoschlüssel?«
»Hinter der Sonnenblende.«
Ich war seit meiner Armeezeit nicht mehr Auto gefahren und auch da nur in Maßen. In jenen Tagen bestand man die Prüfung, indem man zum Adjutanten ging und einen Wisch unterschrieb, der einen berechtigte, jedes Fahrzeug vom Motorrad bis zum Dreitonnenlaster zu führen. Ich zweifelte aber nicht daran, daß ich’s hinkriegen würde. Wenn ich mir die Anzahl von Einfaltspinseln ansah, die absolut anständige Fahrer zu sein schienen, Simon zum Beispiel, konnte ich mir einfach nicht vorstellen, daß es mir zu hoch sein sollte.
Rebeccas Mercedes stand in der Garage hinter den Stallungen, ein Cabrio mit dem verdammten Verdeck aufgeklappt. Natürlich auch noch ein elektrisches Dach. Nachdemich fünf Minuten lang vergeblich mit dem Zündschlüssel herumgefummelt hatte – das verdammte Ding ließ sich nicht mal
umdrehen
–, flitzte ich los, um Tubby zu finden. Er ließ den Wagen an und schloß das Verdeck, schnell wie Schweinescheiße.
Ich schaffte es mit großer Beklommenheit, meinen Bauch hinter das Lenkrad zu stopfen, und stieß sofort auf das erste Problem.
»Das Scheißding hat bloß zwei Pedale!« gellte ich.
»Is Automatik«, sagte Tubby.
Er vergeudete zehn kostbare Minuten damit, mir umständlich deren Funktionsweise zu erklären, dann wagte ich mich aus der Garage und hielt so schnell wie möglich auf die Westauffahrt zu. Ich erreichte sie ohne wirklichen Unfall, stand aber immerzu kurz davor, da der Parkrand mit steinernen Portlandvasen und urigen Bauernbänken freizügig bestückt ist. Ich konnte kaum etwas sehen: Es goß immer noch in Strömen, und ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wo der Schalter für die Scheibenwischer versteckt sein mochte.
Am Ende der Auffahrt kam ich zum Stehen und wühlte, als der Wagen auf den Parkrasen schlitterte, Schlamm auf.
David lag reglos unter einer Zeder.
Scheiße, dachte ich. Er ist vom Blitz erschlagen worden. Hätte ihm nie sagen dürfen, er solle sich unter einen Baum stellen.
Ganz so schlimm war’s dann aber nicht. Er war in Ohnmacht gefallen, aber nicht vom Blutverlust, entschied ich. Das Taschentuch hatte Flecken, war aber nicht durchtränkt. Ich bückte mich und versuchte ihn hochzuheben. Kein schwerer Junge, aber zuviel für mich. Mit Bandscheibenvorfällen und ausgerenkten Schultern wäre der Sache nicht gerade gedient gewesen.
»Davey!« rief ich ihm ins Ohr. »Wach auf. Wach auf, Davey, wach auf.«
Seine Augen flackerten, öffneten sich, und er starrte mich an.
»Komm schon, Junge. Du mußt versuchen hochzukommen. Ich hab einen Wagen besorgt, und wir fahren ins Krankenhaus. Lassen dich zusammenflicken.«
Er versuchte so schnell aufzustehen, als hätte ihm nie was gefehlt. Der Schmerz durchschoß ihn heftig, und er fiel wimmernd gegen mich. In dieser gebückten Position konnte ich ihn wenigstens zum Auto schleifen und ihn auf den Beifahrersitz drücken, hebeln und quetschen.
»Oh, Onkel Ted«, sagte er immerzu. »Onkel Ted, Onkel Ted.«
»Pst! Ich muß mich auf dieses beschissene Auto konzentrieren.«
»Anna Längssoll«, duselte er wie ein Betrunkener.
»Was?«
»An der … Lenk … säule. Die Scheibenwischer. Da.«
Die Wischer halfen, aber es war immer noch eine Albtraumfahrt. Von der Straße wurde unglaublich viel Sprühwasser hochgeschleudert, und irgendeine tief vergrabene Erinnerung ließ mich immerzu links zutreten und ein Schaltmanöver versuchen, wenn ich langsamer werden wollte. Das einzige Pedal, das mein Fuß erwischte, war die Bremse, auf die er nachdrücklich trat, woraufhin wir zu nervtötenden Hupkonzerten durch Verkehr und Nebelschwaden schlitterten.
David schien mein Fluchen und Grunzen zu amüsieren, und er blieb wach genug, um mich zum Norfolk and Norwich Hospital zu dirigieren.
Erst als wir vor dem Eingang für Notfälle zum Halten schlingerten, kam mir das Prekäre unserer Lage richtig zuBewußtsein. Michael würde von mir erwarten, daß ich das hier regelte, ohne ihn oder seine Familie ins öffentliche Rampenlicht zu zerren. Ich drehte mich zu David.
»Was immer ich an Erklärungen abgebe, Davey, du mußt es behalten und wiederholen. Verstehst du?«
Er sah mich begriffsstutzig an.
»Häh?«
»Ich werde erklären, wer du bist und wie es zu
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