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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Willkommen, Vertrauen und Desinfektionsmittel aus.
    »David Lennox?«
    »Die Sache bei einer 501 ist«, flüsterte David mir beim Aufstehen hastig ins Ohr, »die haben Knöpfe, keinen Reißverschluß.«
    Er wurde weggeführt, und ich saß da und schlug mir wütend mit der Faust auf den Schenkel.
    Verdammte amerikanische Mode. Scheiß drauf. Scheiß auf die alle.
Knöpfe?
Das ist doch einfach unerhört! Knöpfe trug man an der Hose, wenn man aus der Armee kam oder früher bei Hochzeiten.
Knöpfe?
Beschissene, verfluchte Scheiße, das konnte ja heiter werden. Knöpfe. Grotesk.
    Nach zwanzig Minuten einsamen Wütens schritt eine hochgewachsene Frau mit stahlgrauem, zu einem furchteinflößenden Knoten gebundenen Haar in weißem Kittel auf mich zu, ein gefährliches Leuchten in den eisblauen Augen.
    »Mr. Lennox?«
    »Woll, das bin ich.«
    »Dr. Seyran. Könnte ich Sie mal kurz sprechen?«
    »Ja, ja. Natürlich. Wie geht’s Davey denn?«
    »Hier entlang, bitte. Ich habe ein kleines Büro.«
    Ich folgte ihr gehorsam und vertrieb uns die Zeit des kurzen Spaziergangs mit amüsanten Betrachtungen über das Wetter und den Straßenverkehr, ganz wie ein echter, ausgewachsener Daddy.
    Dr. Seyran – Margaret Seyran, wenn man dem Namensschild an ihrem Kittel Glauben schenken durfte – schloß die Tür des Büros hinter sich und zeigte auf einen Sessel.
    »Mr. Lennox«, sagte sie, als ich mich gesetzt hatte, »ichfrage mich, ob Sie wohl so gut sein könnten, mich über das Wesen Ihrer Beziehung zu David aufzuklären.«
    »Na ja«, sagte ich forsch-fröhlich, »mal besser, mal schlechter. Sie wissen doch, wie Jugendliche sind.«
    »Das ist nicht ganz, was ich meine, Mr. Lennox«, sagte sie, ging um ihren Tisch herum und setzte sich. »Sie sind der Vater des Jungen, ist das richtig?«
    »Schuldig im Sinne der Anklage.«
    »Vielleicht können Sie mir dann erklären«, sie zog einen Kugelschreiber aus der Brusttasche, »warum David zu mir sagte: ›Der Schmerz wurde im Wagen schlimmer, auch weil Onkel Ted so ein schlechter Fahrer ist.‹ Das waren seine Worte, Mr. Lennox. ›Onkel Ted‹.«
    »Tatsächlich?«
    »Tatsächlich. Also warum sollte ein Sohn seinen Vater ›Onkel‹ nennen, frage ich mich?«
    »Na ja, wenn ich Vater sage, meine ich natürlich ›Pater‹ wie in
Patenonkel

    »Patenonkel?«
    »Patenonkel«, meine Stimme klang trocken und unangemessen durchdringend, »wissen Sie, das hat schließlich was Väterliches, oder?«
    »Sie sind nicht mit David verwandt?«
    »Nicht direkt.«
    »Nicht direkt. Verstehe.«
    Als wolle sie ein Rezept ausstellen, nahm sie einen kleinen weißen Notizblock aus einer Schreibtischschublade und begann darauf zu schreiben.
    »Warum«, fragte sie währenddessen, »natürlich?«
    »Wie bitte?«
    »Sie meinten gerade, als Sie Vater sagten, meinten Sie ›natürlich‹ Patenonkel. Warum natürlich?«
    »Also …«, ich verspürte ein dringendes Bedürfnis nacheiner Rothie, »ich nehme an, so natürlich ist das nicht, wo Sie das jetzt sagen. Als Außenstehender kommt Ihnen in der Familie natürlich nichts natürlich vor, oder? Ich meine, das Leben anderer Leute … Mysterium. Reines Mysterium. Finden Sie nicht auch?«
    »Aber wie es aussieht, sind
Sie
doch auch Außenstehender dieser Familie?«
    »Ach so … ja. Wenn Sie das so sehen. Hm.«
    »Davids Verletzung rührt der Anmeldung zufolge daher, daß er sich den Penis in einen Reißverschluß eingeklemmt hat.«
    Penis, welch ein garstiges Wort. Nicht das richtige von einer großen Frau mit kalten Augen und festen Brüsten.
    »Ja, Reißverschluß, stimmt.«
    »Obwohl die Jeans, die er anhat …«
    »Knöpfe hat. Je nun, er hat die ursprüngliche Hose natürlich ausgezogen.«
    »Wieder natürlich?«
    »Also, er steht da, wissen Sie. Pinkelt und klemmt sich den Schniedel ein. Ich wußte nicht, was ich machen sollte. Also lief ich los und holte ihm eine andere Hose und dann …«
    »Sie waren dabei, als er urinierte?«
    »Also, nein, natür…
selbstverständlich
hat er geschrien, nicht wahr? Ich lief hoch …«
    »Hoch?«
    »Ins Badezimmer …«
    »All das geschah in einem Badezimmer?«
    »Ja! In einem Badezimmer. Was hatten Sie denn erwartet, eine Bäckerei? Einen Frisiersalon?«
    Sie schrieb ein paar Worte auf.
    Ihr Schweigen und ihre Geduld waren außerordentlich irritierend. Ich steckte eine Hand in meine Jackentasche.
    »Ich hoffe, Sie beabsichtigen nicht zu rauchen, Mr. Lennox«, sagte sie, ohne aufzuschauen. »Das hier ist ein

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