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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Privatleben Ihrer Patienten weiterzutratschen? Ich meine, Herrgott, Weib, was ist denn bloß los mit diesem Land? Warum bestehen herrische Kreaturen wie Sie darauf, ihre wißbegierigen Nasen permanent in die Angelegenheiten anderer Leute zu stecken? Nähen Sie dem Jungen einfach seinenSchwanz wieder zusammen, geben Sie ihm ein paar Tabletten, und schicken Sie ihn dahin, wo der Pfeffer wächst. Es geht Sie doch, verdammt noch mal, einen feuchten Dreck an, wo und mit wem er seine Verletzung bekommen hat. Lassen Sie uns bloß in Ruhe, ja?«
    »Es dürfte Sie vielleicht interessieren, Mr. Wallace, daß ich zum Schiedsgericht gehöre. Als Friedensrichterin.«
    »Und zweifellos sind Sie auch Mitglied der Calvinisten gegen Schwanzlutschen und der Hausfrauen gegen Fellatio. Was Sie in Ihrem Privatleben tun, ist mir absolut scheißegal. Und was ein Jugendlicher in seinem anstellt, sollte
Ihnen
scheißegal sein. Sie sind Ärztin, Sie sollen heilen, nicht predigen.«
    Sie funkelte mich erneut feindselig an und streckte die Hand nach dem Telefon aus. »Wenn ich nicht auf der Stelle Namen und Adresse von Davids Eltern bekomme, Mr. Wallace, rufe ich die Polizei.«
    Ich seufzte. »Also gut. Schon gut. Und ich nehme an, Sie wollen auch gleich die Namen der Eltern des Mädchens, damit Sie gleich zwei Familien auf einmal in die Scheiße reiten können, hab ich recht?«
    »Mädchen? Welches Mädchen?« Sie starrte mich verdutzt an.
    »Welches Mädchen? Welches Mädchen? Was meinen Sie mit ›welches Mädchen‹? Herrgott noch mal, dachten Sie vielleicht, eine Giraffe hätte ihm einen geblasen?«
    »Nein, Mr. Wallace. Ich nahm an, Sie seien die zweite beteiligte Partei gewesen.«
    Jetzt war ich an der Reihe, vor Verblüffung Stielaugen zu kriegen.
    »WAS? Sie dachten
was

    »Bitte, Mr. Wallace, senken Sie Ihre Stimme.«
    »Sie dachten, ich …«
    Ein Leben lang haben mir Leute von Dr. Seyrans Schlag Worte wie »Bohemien« um die Ohren gehauen, aber ich glaube wirklich und wahrhaftig, wenn ich einen Fehler habe, ist es der, nicht ganz so versaut zu sein wie die meisten von denen. Man nennt mich Zyniker und Skeptiker, bloß weil ich etwas, das ich sehe, als das bezeichne, was es ist, nicht, wie ich es gern hätte. Wenn man sein Leben auf einem moralischen Gipfel verbringt, sieht man nichts als den Schmutz unter einem. Wenn man wie ich im Schmutz selbst lebt, hat man einen verdammt guten Blick auf den klaren blauen Himmel und die sauberen grünen Hügel oben. Keiner ist so böswillig wie die mit der moralischen Sendung und keiner so reinen Herzens wie die Heruntergekommenen. Trotzdem war es wohl ziemlich dämlich von mir, nicht dahintergekommen zu sein, worauf sie die ganze Zeit hinauswollte.
    »Sollte es da einen Irrtum gegeben haben, Mr. Wallace, versichere ich Ihnen, daß es mir sehr leid tut, aber Sie sehen doch ein, daß es meine Pflicht ist, in Fällen wie diesem den Sachverhalt klarzustellen. Also, die Eltern sind …«
    »Wenn ich es Ihnen sage«, meinte ich, »werden Sie verstehen, warum ich mir wegen etwaiger Hinzuziehung der Polizei und nachfolgender Öffentlichkeit Sorgen mache. Die Eltern des Jungen sind …« – dramatische Kunstpause – »… Michael und Anne Logan.«
    Die Kinnlade klappte ihr weg.
    Ich nickte gewichtig. »Genau.«
    »Wissen Sie, Mr. Wallace«, sagte sie, »David kam mir gleich so bekannt vor. Ich hab ihn schon mal gesehen. Lady Anne und ich sind am selben Gericht.«
    »Nein, wirklich?« Wahrlich, welch eine Überraschung. Ich konnte mir gut vorstellen, wie sie genüßlich Wilddiebe und Exhibitionisten zum Tode verurteilt. »Also, da ist imMoment gerade dieses junge Mädchen in Swafford, Clara Clifford. Sie ist die Tochter von Max Clifford, den Sie vielleicht ebenfalls kennen?«
    »Ich habe natürlich von ihm gehört … ich wußte nicht, daß er eine Tochter hat.«
    »Sie ist vierzehn. Also, um nicht viele Worte zu verlieren, ich ging heute nachmittag im Wald um Swafford spazieren und hörte einen Schrei. Als ich hinkam, entdeckte ich, daß Davey durch jugendlichen Eifer und Mangel an Erfahrung in die Bescherung geraten war, deren Zeuge Sie geworden sind. Unglücklich und blamabel, aber kaum eine Angelegenheit für die Polizei.«
    Sie bedachte mich mit einem weiteren langen Blick.
    »Und Sie sind wirklich Davids Patenonkel?«
    Ich erhob meine rechte Hand. »Beim Barte des Poeten.«
    Sie lächelte, und ich sah zum ersten Mal den Anflug von etwas wie Attraktivität und gar Erotik hinter ihren

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