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Das Nilpferd

Das Nilpferd

Titel: Das Nilpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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mein Kommen. Wenn ich nicht alles fürchterlich vermassele, bleibe ich so lange hier, wie ich mich benehmen kann.
    Liverpool Street Station ist in die unheilvolle und inakzeptable Mischung eines Edwardianischen Vergnügungspiers und eines Fernsehstudios am hellichten Tag verwandelt worden, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Absolut widerwärtig. Da Dein Scheck unerklärlicherweise eingelöst worden zu sein scheint, bin ich erster Klasse gefahren. Soweit ich feststellen konnte, hatte der gesamte Zug nur einen einzigen Raucherwaggon. Die aussichtslosen Versuche von Britrail, die Fluggesellschaften nachzuäffen (von vornherein ein idiotisches Projekt, ungefähr so sinnvoll, als ginge man zum Friseur und bäte um einen Lindsay-Anderson-Schnitt), gehen so weit, die Abteile mit einem lächerlichen Bahnmagazin namens »Manager« oder »Top-Reisender« oder irgend so einem ausgerotzten Mist zu verdrecken. Gottlob bin ich bald tot. ’tschuldigung, das klingt ein bißchen gefühllos angesichts Deiner Krankheit. Du weißt schon, wie ich’s meine.
    Egal, nachdem anderthalb Stunden pittoresker Landschaftenvor meinem Fenster verstrichen waren, kam der Zug zu einem hodenstrangulierenden Halt in Diss Station und brachte die kleine Pyramide aus Mini-Johnny-Walkers zum Einsturz, die ich auf dem Tisch vor mir errichtet hatte. Auf dem Bahnsteig sah ich einen Jugendlichen, der einen Bund Autoschlüssel hochwarf und auffing wie ein Gangster einen Silberdollar. Ein schwarz glänzender Spaniel saß neben ihm und setzte seine Zunge der Luft aus, wie es bei diesen Kreaturen Brauch ist. Die dußlige Art und Weise, auf die ich meinen Koffer quer durch eine enge Abteiltür zu zerren versuchte, muß ihm verraten haben, wer ich war. Es ist unwahrscheinlich, daß er sich an mich von vor vier Jahren erinnerte, als ich Swafford das letzte Mal heimgesucht hatte.
    »Hello, Sir«, sagte er, griff nach dem Koffer und befreite ihn gewandt. »Ich bin Simon Logan. Willkommen in Norfolk.«
    »Guter Mann. Ted Wallace.«
    »Das ist Soda. Mein Spaniel.«
    »Es ist mir eine große Ehre, Soda«, sagte ich und legte dem Tier zur Begrüßung einen Zeigefinger auf die Schnauze.
    Simon geleitete mich zum Ausgang.
    »David wollte mitkommen, aber ich dachte, du würdest den Zweisitzer bevorzugen.«
    Auf dem Parkplatz stand ein zweifarbiger Austin-Healey, oben eisblau, unten elfenbein. Das Auto für ein brünstiges Starlet, dachte ich, die Sorte, in der Diana Dors sich hätte ablichten lassen, wie sie Kopf und Schal zurückwirft, mit strahlenden Zähnen und einem Aufblitzen der geflügelten Sonnenbrille. Du bist wahrscheinlich zu jung, um dich an Diana Dors zu erinnern, aber das schreib ich Dir ohne Sonderhonorar dazu. Ich hatte eigentlich Michaels gut bestückten Rolls-Royce erhofft, aber der Burscheliebte dieses Maschinchen offensichtlich, also schnalzte ich bewundernd.
    »Das Dach und die Fensterteile hab ich zu Hause gelassen, um im Kofferraum Platz für dein Gepäck zu haben. Solang es nicht regnet, ne?«
    Ich sah hoch in den weiten Himmel über East Anglia, unberührt von Wolken und blau wie … meine Kräfte sind jeglichen poetischen Vergleichs verlustig gegangen. Mir fällt nichts ein, was so blau wäre. So blau wie blau. So blau wie das Höschen der Heiligen Jungfrau. So blau, wie er war.
    Sobald wir das Städtchen Diss hinter uns hatten, erzeugten das Motorengebrumm des Austin und die nicht gekennzeichneten Feldwege das wohltuende Wunschbild des milden und staubigen Englands von Dornford Yates. Halb erwartete man Pferde, die sich vor Schreck über den ungewohnten Anblick eines Automobils aufbäumten, und gaffende Dörfler, die einander erstaunt in die Rippen boxten. Wir sahen aber niemanden. Ein Laken der Stille lag über der Welt, und wir zerfetzten es wie ein Rennboot einen See. Wahrscheinlich hast Du auch noch nie von Dornford Yates gehört, aber da kann ich ja nichts für.
    Im Fahrtwind schlug mir meine Stirnlocke ins Gesicht, als ich nach rechts und links schaute, und stach mir in die Augen. Simon, dessen Haar unmodisch kurz ist, sah stur geradeaus, jede Sekunde der Konzentration am Lenkrad bereitete ihm etwas, das einem Orgasmus nahekam. Ich schätzte, er war siebzehn und hatte erst seit kurzem einen Führerschein. Er gehört zu den Jungs, die ihre Fahrprüfung am Morgen ihres Geburtstages machen und Ausreden finden, zwanzig Meilen weit zu fahren, um eine Schachtel Streichhölzer zu kaufen. Soda saß glücklich hinter uns eingeklemmt, ihre

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