Das Nilpferd
»Cossy« gesprochen.
Simon stieg dann in eine Geschichte ein, die Dir, Jane, nur allzu gut bekannt sein dürfte.
»Ich hab meine Cousine Jane zur
Royal Norfolk
mitgenommen«, sagte er. »Kennst du Jane?«
»Meine Patentochter«, schrie ich gegen den Fahrtwind.
»Richtig. Dann weißt du bestimmt auch, daß es ihr nicht so gut geht.«
Ich nickte.
»Ich hab gedacht, ein Tag an der frischen Luft wäre vielleicht gut für sie. Leider kollabierte sie mitten in einer Mähdrescherschau. Schrecklich.«
»Schrecklich«, pflichtete ich ihm bei.
»Ich dachte, sie war hinüber, fürchte ich. Du hast noch nie jemanden so blaß gesehen. Die Ambulanzleute vom St. John’s wollten sie gleich ins Norfolk and Norwich bringen. Das ist ein Krankenhaus.«
»Find ich vernünftig. Besser als ein Restaurant oder, sagen wir, ein Fußballstadion.«
»Sie hat sich aber im Zelt etwas erholt, und ich hab sie nach Swafford zurückgefahren. Einen Arzt wollte sie nicht. Ist direkt ins Bett gegangen. Da blieb sie dann ein paar Tage lang. Davey hat ihr jeden Nachmittag was vorgelesen, und Dad hat eine echte, ausgebildete Krankenschwester eingestellt. Dad ist ihr Onkel.«
»Jetzt wirkt sie ziemlich gesund«, wagte ich zu bemerken. »Ich hab sie in London gesehen.«
»Jou, echt gut erholt. Erstaunt mich aber nicht besonders. Bei Schweinen sieht man das öfter.«
Vetterliche Zuneigung zeigt seltsame Formen.
Auf der Fahrt nach Peterborough dachte ich über die komische Aussprache von Costessey nach und unterhielt Simon und Soda mit einem improvisierten Limerick.
Es war mal ein Mädchen aus Costessey
mit Schenkeln wie Rhodos’ Kolostes. Sey
war äußerst begehrt,
weil peitschenbewehrt.
Man liebt’ ihren Hieb: Sie war bostessey.
»Super!« Simon kam vor Begeisterung fast von der Straße ab. »Der ist einfach super.«
Nachdem wir am Showgelände angekommen waren, wiederholte er den Limerick unermüdlich vor seinen Kumpeln, von denen eine ganze Anzahl zugegen war. Der Geist der Poesie kann, wie Du siehst, selbst in kargen und wenig aussichtsreichen Böden Blüten treiben. Simon, für den Lyrik ein Buch mit sieben Siegeln in einem abgeschlossenen Schrank auf dem Dachboden eines einsamen Hauses in einem abgelegenen Weiler eines weit entfernten Landes ist, sagte jedem seiner Freunde aufs neue, »das ist Onkel Ted. Er ist ein berühmter Dichter. Er hat sogar im Auto eben ein Gedicht gemacht, während wir hergefahren sind!«. Und dann sagte er es auf. Der Sachverhalt, daß ich ein »echter Dichter« war, schien den Limerick zu verwandeln und verlieh ihm fast schon Kunstcharakter.
Erinnerte mich an eine Masche, die wir in unserer Dominionzeit immer abzogen, wenn wir abgebrannt waren. Das Dominion war und ist immer noch ein Trinkclub um die Ecke vom Harpo, nicht so ganz Deine Szene, Teuerste. In den späten Fünfzigern und frühen Sechzigern pflegte ich dort mit Gordon Fell herumzulungern, dem späteren »Sir« Gordon, Maler und kulturelle Ikone (so jedenfalls beschrieb ihn neulich meine Tochter Leonora in einem Artikel). Der Trick bestand darin, Gordon bis Oberkante Unterlippe mit den zuckersüßen Old Fashioneds abzufüllen, die er so liebte, und ihn dann zum Reden zu bringen. Sobald er im Lauf des Gesprächs jemanden erwähnte, der nicht gerade Busenfreund eines der Anwesenden war – nennen wir ihn zum Beispiel Tiny Winters –, dann fragten wir:
»Tiny Winters … Tiny Winters … hilf mir mal auf die Sprünge, Gordie, wer ist das gleich?«
Und Gordon lallte irgendeine Beschreibung dieses Kerls. Wir sahen verwirrt drein und schüttelten dann nachdrücklich den Kopf.
»Nichts zu machen. Kann ihn einfach nicht einordnen.«
Das brachte Gordon auf hundertachtzig, kein Wunder, Tiny Winters, oder um wen es grade ging, war uns natürlich nur zu gut bekannt. »Ihr kennt Tiny! Tiny! Jeder kennt Tiny!« tönte Gordon indigniert.
Wir schienen mit unseren Gedächtnissen zu ringen.
»Wie sieht er denn aus?« fragte schließlich jemand.
»Na ja, er ist… ach Scheiße, her mit einem Blatt Papier …«
Tätää! Sieg. Heraus mit der Zeichenkohle, und binnen fünf Minuten waren wir Besitzer eines echten Fell. Schon damals bekam man selbst für die gröbste Zeichnung 50 Pfund. Je gröber, desto besser sogar.
»Ach,
der
Tiny! Capito. Ja natürlich, wie geht’s dem alten Tiny denn?«
Einer von uns schob das Blatt in die Tasche, machte sich im Cab zur Cork Street auf, kam zurück und verteilte die Beute, und der gute Gordon sah dumm
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