Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
Eskorte manövrierte sich durch die schmalen Gassen bis auf den Platz vor der Basilika. Unter der Statue von Dante setzten sie uns ab. Die Polizeiwagen und Motorräder fuhren in eine Seitengasse und parkten dort. Ich griff nach Angelicas Hand, als wir uns durch die Touristenhorden einen Weg die Steintreppe hinauf zum Eingang bahnten.
In der Kirche wurden wir von einer Gruppe Wissenschaftler und Handwerker erwartet. Hätte Nick die offizielle Prozedur befolgt, wären jetzt alle Mann hier gewesen – der Erzbischof, der Kardinal, der leitende Priester, der Abt, die Mönche, der Stadtantiquar, der Stadtrat, der Polizeipräsident und seine Mannschaft. Mir war schleierhaft, wie er es geschafft hatte, sie außen vor zu halten, aber es war keiner von ihnen zu sehen.
Gedämpftes, respektvolles Gemurmel füllte Santa Croce. Eine Mutter mit zwei Jungen. Ein altes Ehepaar mit aufgeschlagenem Reiseführer. Eine Horde Japaner. Ein Vater, der ein schlafendes Mädchen auf dem Arm trug. Eine ältere Dame im Rollstuhl. Ein glatzköpfiger Mann, der von der Aufsicht angesprochen wurde, als er ein Foto mit Blitz machte.
II
Unter den 250 Personen, die innerhalb der Kirchenmauern beigesetzt sind, befinden sich Bürger, die tapfer für Florenz gekämpft haben, und Mitglieder einflussreicher Familien. Entlang der Wände: die Grabstätten von Größen wie Galilei, Rossini und Machiavelli. Michelangelos gewaltiges Grabmal – gestaltet von Giorgio Vasari – war an sich schon ein Kunstwerk. Vor dem Sarkophag mit Michelangelos Büste darauf saßen drei Figuren, die die Bildhauerkunst, die Malerei und die Architektur symbolisierten.
Wenn uns niemand zuvorgekommen war, würden wir Nostradamus’ Testament in Michelangelos Grab finden. Die Liste über die vierundzwanzig europäischen Bibliotheken, die die Truhen mit den wichtigsten Werken der Bibliothek von Alexandria bargen.
Wenn uns niemand zuvorgekommen war …
Morettis Geschichte (XII)
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ZWISCHENSPIEL: SILVIO
FLORENZ
FREITAGNACHMITTAG
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E r hält Silvios Hand, als sie Santa Croce betreten. Ein kleines, warmes Händchen. Die Kirche ist voller Touristen. Dracos Männer haben ihre Hände unter die Kutten geschoben. Sie sind bewaffnet. Was haben sie eigentlich vor? Er versteht es nicht. Am liebsten würde er Silvio schnappen und loslaufen. Einfach laufen. Weg! So verrückt können die Mönche nicht sein, dass sie hier drinnen auf sie schießen? Oder? Brauchen sie sie überhaupt noch?
Sein Atem geht schwer. Die vielen Touristen. Alles ist so eng. Menschenmassen wecken in ihm schnell das Gefühl, eingesperrt zu sein. Wie damals. In dem Schrank.
Papa, wimmert Silvio. Lass mich los!
Loslassen?
Du drückst meine Hand so fest!
*
Der Kleinbus parkt draußen im Halteverbot auf dem Platz, mit eingeschaltetem Warnblinker. Draco hat Eintrittskarten für alle gekauft. Lächerlich, denkt Lorenzo. Wir sind entführt und gegen unseren Willen hierher nach Santa Croce gebracht worden, und er kauft Eintrittskarten, damit wir in die Kirche können.
Ich dachte, wir wollten nach Hause, nörgelt Silvio.
Bald.
Kirchen sind langweilig.
Das hier ist aber nicht irgendeine Kirche, weißt du.
Die sehen doch alle gleich aus.
*
Draco sieht sie als Erster. Er holt mit der Hand aus und schlägt Lorenzo auf die Brust. Die anderen bleiben stehen.
Da sieht er sie. Bei Michelangelos Grab.
Angelica. Bjørn Beltø. Zwei Männer, die er erkennt, ehe ihm die Namen wieder einfallen: Fabrizio Biniscotti und Bernardo Caccini.
Zurück!, flüstert Draco.
Vorsichtig, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, schiebt er den Professor zurück in Richtung Eingang.
Papa, warum …, beginnt Silvio.
Draco zischt ihm zu, dass er leise sein soll. Scharf. Silvio verstummt.
Wollen Sie schon wieder raus?, fragt ein Aufseher.
Dem Jungen ist nicht wohl, sagt Draco.
Oh, das tut mir leid, sagt der Aufseher.
Wir müssen raus.
Das hier ist der Eingang. Der Ausgang ist auf der anderen Seite.
Können Sie uns hier rauslassen? Per favore . Dem Jungen ist schlecht.
Lorenzo nimmt ihn auf den Arm. Silvio blinzelt schläfrig durch den riesigen Kirchenraum. Plötzlich zuckt er zusammen.
Mama!
Die Stimme gellt durch den Raum.
Wie hat er sie in dem Gewimmel entdecken können?
Es befinden sich an diesem Tag sicher hundert Mütter in der Kirche. Aber eine von ihnen erkennt die Stimme wieder, den Ton, den Klang.
Mama!
Angelica dreht sich um. Lorenzo sieht, wie ihre
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