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Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Titel: Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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dem Eingang zum Gewölbe stand. Ich hörte seinen schwachen Ausruf der Befriedigung und merkte an seinen eiligen, dabei zielgerichteten Bewegungen, daß ein Ergebnis bevorstand. Mit der Lupe untersuchte er eifrig die Ränder des schweren Deckels. Dann zog er ein kurzes Brecheisen aus der Tasche, stieß es in einen Spalt und konnte so das Oberteil anheben, das anscheinend nur durch einige Beschläge gehalten war. Als sich der Deckel löste, gab es ein reißendes Geräusch. Aber er stand noch nicht zur Gänze offen, der Blick erfaßte erst einen Teil des Inhalts, als wir gestört wurden.
      Oben in der Kapelle ging jemand umher. Wir hörten den festen, schnellen Schritt eines Menschen, der zu bestimmtem Zweck gekommen war und den Boden unter den Füßen gut kannte. Über die Treppe fiel ein Lichtstrom ein, und eine Sekunde später stand ein Mann im Rahmen des gotischen Bogengangs. Es war eine schreckliche, riesige, ungestüme Gestalt. Die große Stallaterne beleuchtete von unten her ein breites Gesicht mit großem Schnurrbart und wütenden Augen, die in alle Winkel des Gewölbes drangen und schließlich mit tödlichem Starren auf meinem Gefährten und mir verweilten.
      »Wer, zum Teufel, sind Sie?« donnerte der Mann. »Und was suchen Sie auf meinem Grund und Boden?« Als Holmes nicht antwortete, kam er einige Schritte näher und hob einen schweren Knüppel, den er bei sich trug. »Hört ihr mich?« schrie er. »Wer seid ihr? Was tut ihr hier?«
      Sein Knüppel fuhr durch die Luft.
      Aber Holmes schrak nicht zurück, sondern trat ihm entgegen.
      »Ich habe auch eine, Frage zu stellen, Sir Robert«, sagte er mit sehr fester Stimme. »Wer ist das hier? Und was hat das hier zu suchen?«
      Er wandte sich um und riß den Sargdeckel hoch. Im Schein der Laterne erblickte ich einen Körper, der vom Hals bis zu den Füßen mit einem Laken bedeckt war; schreckliche, hexenhafte Züge, die anscheinend nur aus Nase und Kinn bestanden; aus farblosem, zerfallendem Gesicht starrten trübe glasige Augen.
      Der Baron taumelte mit einem Schrei zurück und hielt sich an einem steinernen Sarkophag fest.
      »Woher wußten Sie davon?« rief er. Und dann fügte er, der seine wilde Art teilweise wiedergewonnen hatte, hinzu: »Was gehen Sie die Dinge hier überhaupt an?«
      »Mein Name ist Sherlock Holmes«, sagte mein Gefährte. »Vielleicht ist er Ihnen vertraut. Jedenfalls gehen sie mich soviel an wie jeden guten Bürger, der das Gesetz unterstützt. Mir scheint, Sie werden sich für vieles verantworten müssen.«
      Sir Robert blickte wieder wild umher, doch Holmes’ ruhige Stimme und seine kalte, sichere Art hatten bereits gewirkt.
      »Bei Gott, Mr. Holmes, alles ist in bester Ordnung«, sagte er. »Der Schein spricht gegen mich, das gebe ich zu, aber anders konnte ich nicht handeln.«
      »Ich schätzte mich glücklich, wenn dem so wäre, aber ich fürchte, Sie müssen Ihre Erklärungen vor der Polizei abgeben.«
      Sir Robert zuckte die breiten Schultern.
      »Gut, was sein muß, muß sein. Kommen Sie mit ins Haus, dann werden Sie beurteilen können, wie die Dinge liegen.«

    Eine Viertelstunde später befanden wir uns in einem Raum, der, nach den glänzenden Läufen hinter Glastüren zu schließen, das Gewehrzimmer des Hauses zu sein schien. Er war komfortabel eingerichtet. Für einige Augenblicke ließ uns Sir Robert allein. Bei seiner Rückkehr begleiteten ihn zwei Personen: die eine war die auffallende junge Frau, die wir im Wagen gesehen hatten, die andere ein kleiner rattengesichtiger Mann mit widerlichem, geheimnistuerischem Gehabe. Die beiden schauten völlig verwirrt drein, ein Zeichen dafür, daß der Baron noch nicht Zeit gefunden hatte, ihnen zu erklären, welche Wendung die Ereignisse genommen hatten.
      »Dies hier«, sagte Sir Robert mit einer vorstellenden Handbewegung, »sind Mr. und Mrs. Norlett. Mrs. Norlett war unter ihrem Mädchennamen Evans einige Jahre lang die vertraute Zofe meiner Schwester. Ich habe die beiden mitgebracht, weil ich glaube, es ist am besten, wenn ich Ihnen den wahren Stand der Dinge erläutere; sie sind die einzigen Menschen auf der Welt, die meine Worte erhärten können.«
      »Ist das wirklich nötig, Sir Robert? Haben Sie bedacht, was Sie tun?« rief die Frau.
      »Was mich angeht«, sagte der Mann, »so weise ich alle Verantwortung von mir.«
      Sir Robert bedachte ihn mit einem Blick der Verachtung.
      »Ich nehme alle Verantwortung auf

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