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Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Titel: Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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der Kutscher das Gefährt zum Halten gebracht hatte, fragte ich, ob Sir Robert in Shoscombe Old Place anzutreffen sei.
      Im selben Augenblick trat Holmes aus dem Gebüsch und ließ den Spaniel los. Mit freudigem Winseln schoß er auf den Wagen zu und sprang aufs Trittbrett. Dann aber, in Sekundenschnelle, wandelte sich die eifrige Begrüßung in wildes Wüten, und das Tier schnappte nach dem schwarzen Rocksaum über seinem Kopf.
      »Fahr zu! Fahr zu!« schrie eine rauhe Stimme. Der Kutscher drosch auf die Pferde ein, und wir blieben mitten auf der Landstraße stehen.
      »Gut, Watson, das hätten wir erledigt«, sagte Holmes, indem er die Leine wieder am Hals des aufgeregten Hundes befestigte. »Er dachte, es wäre seine Herrin, und wurde dann gewahr, daß es jemand Fremdes war. Hunde irren nicht.«
      »Aber es war die Stimme eines Mannes!« rief ich.
      »Genau! Wir haben jetzt einen Trumpf mehr auf der Hand, Watson, müssen aber weiterhin vorsichtig spielen.«
      Mein Gefährte besaß anscheinend für den Rest des Tages keinen Plan, und tatsächlich kam es dahin, daß wir unsere Angelausrüstung im Mühlbach erproben konnten, mit dem Ergebnis, daß wir zum Abend eine Forellenmahlzeit auf dem Tisch hatten. Erst nach dem Essen legte Holmes wieder Anzeichen von Tatendurst an den Tag. Wieder standen wir auf der Straße, die zum Parktor führte. Dort erwartete uns eine hochgewachsene, dunkle Gestalt; sie stellte sich als unser Londoner Bekannter, der Trainer John Mason, heraus.
      »Guten Abend, die Herren«, sagte er. »Ich habe Ihr Briefchen erhalten, Mr. Holmes. Sir Robert ist bis jetzt nicht zurückgekommen, aber man erwartet ihn, wie ich erfahren habe, heute abend noch.«
      »Wie weit ist die Krypta vom Haus entfernt?« fragte Holmes.
      »Gut eine Viertelmeile.«
      »Dann brauchen wir uns um ihn nicht zu kümmern.«
      »Ich kann es mir nicht erlauben, Mr. Holmes. Bei seinem Eintreffen will er sofort das Neueste über Shoscombe Prince von mir erfahren.«
      »So ist das also. Dann müssen wir eben ohne Sie an die Arbeit gehen, Mr. Mason. Bringen Sie uns zur Krypta, danach können Sie uns allein lassen.«
      Es war stockdunkel, kein Mond schien, doch Mason geleitete uns sicher über Wiesen, bis vor uns eine dunkle Masse aufragte, die uralte Kapelle, wie sich bald erwies. Wir traten durch eine Öffnung, früher einmal war hier das Portal gewesen, und unser Führer suchte zwischen Haufen umherliegenden Mauerwerks seinen Weg zu einer Ecke des Gebäudes. Von dort gelangten wir über eine steile Treppe in die Krypta hinunter. Er entzündete ein Streichholz und beleuchtete den traurigen Ort: ein trübes, übelriechendes Gelaß zwischen alten bröckelnden Mauern aus rohbehauenen Quadern, Stapel von Särgen aus Blei und Stein, an einer Seite bis hinauf zum Kreuzgewölbe getürmt, das Ende verlor sich im Dunkel über unseren Köpfen. Holmes zündete seine Laterne an. Sie warf einen Kegel lebhaften gelben Lichts auf den beklagenswerten Schauplatz. Die Strahlen enthüllten Sargplatten, von denen viele mit dem Wappentier und der Krone der alten Familie geschmückt waren, wodurch deren Ansehen bis an die Pforte des Todes bewahrt wurde.
      »Sie sprachen von Knochen, Mr. Mason. Könnten Sie uns die zeigen, ehe Sie gehen?«
      »Sie liegen dort drüben in dem Winkel.« Der Trainer ging voran und stand dann stumm staunend da, als der Schein unserer Laterne auf die Stelle gerichtet war. »Sie sind weg«, sagte er.
      »Das habe ich erwartet«, sagte Holmes und lachte in sich hinein. »Ich vermute, die Asche finden wir in dem Heizungsofen, der zuvor bereits Teile der Leiche verzehrte.«
      »Aber weshalb, um alles in der Welt, sollte jemand die Knochen eines Menschen verbrennen wollen, der tausend Jahre tot ist?« fragte John Mason.
      »Das herauszufinden, sind wir hier«, sagte Holmes. »Diese Nachforschung dauert vielleicht lange, und wir wollen Sie deswegen nicht aufhalten. Dennoch stelle ich mir vor, daß wir die Lösung vor Morgengrauen in Händen haben werden.«
      Nachdem John Mason uns verlassen hatte, begann Holmes mit der Arbeit, untersuchte sorgfältig die Särge, beginnend mit einem sehr alten in der Mitte, der aus sächsischer Zeit zu stammen schien, über eine lange Reihe von Stätten nor mannischer Hugos und Odos, bis wir auf Sir William und Sir Denis Falter aus dem achtzehnten Jahrhundert stießen. Nach vielleicht einer Stunde trat Holmes an einen Bleisarg, der gleich neben

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