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Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Titel: Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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mich«, sagte er. »Und jetzt, Mr. Holmes, hören Sie sich die offene Darlegung der Tatsachen an.
      Sie haben sich augenscheinlich reichlich tief in meine Angelegenheiten hineinbegeben, sonst hätte ich Sie nicht dort gefunden, wo ich Sie fand. So wissen Sie bereits aller Wahrscheinlichkeit nach, daß ich beim Derby ein bis jetzt getarntes Pferd laufen lassen will und daß für mich vom Erfolg alles abhängt. Gewinne ich, ist meine Lage geklärt. Verliere ich – nun, an den Fall wage ich nicht zu denken.«
      »Ich begreife die Lage, in der Sie sich befinden«, sagte Holmes.
      »Ich bin von meiner Schwester, Lady Beatrice, abhängig, in allem. Aber bekanntlich dürfen die Einkünfte aus dem Besitztum nur für ihr persönliches Leben verwandt werden. Was mich angeht, so bin ich ganz und gar in den Händen der Geldverleiher: Ich wußte immer, daß sich meine Gläubiger wie eine Geierschar auf mein Eigentum stürzen würden, wenn meine Schwester sterben sollte. Alles würden sie in Beschlag nehmen, mei ne Ställe, meine Pferde – alles. Nun, Mr. Holmes, meine Schwester ist wirklich gestorben, vor einer Woche.«
      »Und das haben Sie niemandem erzählt!«
      »Was sollte ich machen? Mir stand der totale Ruin bevor. Wenn es mir gelang, die Mitteilung um drei Wochen hinauszuschieben, konnte alles in Ordnung kommen. Der Ehemann der Zofe meiner Schwester – dieser Mann hier – ist Schauspieler. Da kam es uns – kam es mir in den Kopf, daß er für diese kurze Zeit meine Schwester spielen könnte. Es ging nur darum, daß er sich täglich im Wagen zeigte, denn ihr Zimmer brauchte niemand zu betreten, mit Ausnahme der Zofe. Das Ganze war nicht schwierig zu bewerkstelligen. Meine Schwester starb an der Wassersucht, an der Krankheit hatte sie lange gelitten.«
      »Darüber wird der Coroner befinden müssen.«
      »Ihr Arzt wird bescheinigen, daß die Symptome schon seit Monaten ein Ende befürchten ließen.«
      »Nun gut, was haben Sie also getan?«
      »Die Leiche konnte nicht im Haus bleiben. In der Nacht nach ihrem Tod trugen Norlett und ich sie in das alte Brunnenhaus, das nicht mehr in Betrieb ist. Aber ihr Spaniel folgte uns, und weil er unausgesetzt vor der Tür jaulte, begriff ich, daß ein sicherer Platz nötig war. Ich entledigte mich des Hundes, und wir trugen den Leichnam in die Krypta der Kapelle. Dabei war nichts Würdeloses und keine Unehrerbietigkeit. Ich hatte nie das Gefühl, der Toten unrecht zu tun.«
      »Mich mutet Ihr Vorgehen unentschuldbar an, Sir Robert«, sagte Holmes.
      Der Baron schüttelte heftig den Kopf.
      »Predigen ist leicht«, sagte er. »Vielleicht dächten Sie anders, wenn Sie in meiner Lage steckten. Man kann nicht abwarten, wie alle Hoffnungen und Pläne im letzten Augenblick zerschellen, ohne etwas dagegen zu unternehmen. Mir schien die Krypta kein unwürdiger Ruheplatz; wenn wir sie vorübergehend in einen der Särge der Vorfahren ihres Mannes betteten, so geschah das jedenfalls in geweihter Erde. Wir öffneten einen Sarg, holten den Inhalt heraus und legten sie hinein; Sie haben sie ja gesehen. Die Überreste des alten Toten, die wir herausgenommen hatten, konnten wir nicht in der Krypta auf dem Boden liegenlassen. So taten Norlett und ich sie beiseite, und er stieg nachts in den Keller und verbrannte sie im Ofen der Zentralheizungsanlage. Das ist meine Geschichte, Mr. Holmes; es ist mir gewiß schwerer gefallen, sie zu erzählen, als ich sagen kann, aber Sie hatten mich ja dazu gezwungen.«
      Holmes dachte eine Weile nach.
      »In Ihrer Erzählung gibt es eine brüchige Stelle, Sir Robert«, sagte er schließlich. »Ihre Rennwetten und damit Ihre Zukunftshoffnung wären nicht geschmälert worden, wenn die Gläubiger Hand auf Ihren Besitz gelegt hätten.«
      »Das Pferd hätten sie als einen Teil des Besitzes betrachtet. Was kümmern die meine Wetten? Wahrscheinlich hätten sie meinen Hengst überhaupt nicht an den Start gehen lassen. Mein Hauptgläubiger ist unglücklicherweise mein erbittertster Feind – Sam Brewer, ein Schurke, den ich einmal beim Newmarket-Heath-Rennen mit der Peitsche traktieren mußte. Glauben Sie, er hätte den Versuch unternommen, mich zu retten?«
      »Nun, Sir Robert«, sagte Holmes und stand auf. »Die Sache muß selbstverständlich der Polizei gemeldet werden. Meine Pflicht ist es, Tatsachen ans Licht zu fördern, und im Licht müssen sie bleiben. Was die Moral oder doch die Schicklichkeit Ihrer Handlungsweise

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