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Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Titel: Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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die sich ihm entgegenstreckte.
      »Was – Sie denken wohl, ich will Ihnen das Ding wegschnappen? Sehen Sie, Mister, allmählich langweilt mich Ihre Art etwas.«
      »Schon gut, war nicht böse gemeint, Sam. Wir können uns Streit nicht leisten. Komm mit ans Fenster, wenn du die Schönheit richtig sehen willst. Nun halt ihn gegen das Licht! Da!«
      »Danke sehr!«
      Mit einem Satz war Holmes vom Stuhl der Wachspuppe aufgesprungen und hatte das kostbare Juwel erhascht. Jetzt hielt er in der einen Hand den Stein, während die andere einen Revolver auf den Kopf des Grafen richtete. Die beiden Schurken wichen in höchster Überraschung zurück. Ehe sie sich wieder fassen konnten, hatte Holmes die elektrische Klingel gedrückt.
      »Keine Gewaltanwendung, Gentlemen – keine Gewaltanwendung, ich bitte Sie! Denken Sie an die Möbel! Es muß Ihnen doch ganz klar sein, daß Ihre Lage hoffnungslos ist. Die Polizei wartet unten schon.«
      Beim Grafen siegte die Bestürzung über Wut und Angst.
      »Aber wie zum Teufel…«, japste er.
      »Es ist ganz natürlich, daß Sie überrascht sind. Sie waren nicht darauf gefaßt, daß hinter dem Vorhang eine zweite Tür zum Schlafzimmer führt. Ich glaubte, Sie müßten mich gehört haben, als ich die Figur von ihrem Platz entfernte, aber das Glück war auf meiner Seite. So bot sich mir die Gelegenheit, Ihrem geistreichen Gespräch zu lauschen, was mit schmerzlicher Gewalt verhindert worden wäre, hätten Sie mein Erscheinen bemerkt.«
      Der Graf machte eine Geste der Resignation.
      »Ich glaube, Sie sind der Teufel persönlich, Holmes.«
      »Jedenfalls nicht weit entfernt davon«, antwortete Holmes mit einem höflichen Lächeln.
      Sam Mertons langsam arbeitender Intellekt hatte die Lage nur teilweise richtig eingeschätzt. Jetzt, da das Geräusch schwerer Schritte von der Treppe hörbar wurde, brach er schließlich das Schweigen.
      »Auf frischer Tat ertappt!« sagte er. »Aber was, frag ich, war mit der verdammten Fiedel los? Ich hör sie doch noch.«
      »Je nun«, gab Holmes zur Antwort, »sie haben völlig recht. Lassen Sie es spielen. Diese modernen Grammophone sind eine bemerkenswerte Erfindung.«
      Polizisten brachen in den Raum, die Handschellen klickten, und die Verbrecher wurden zur wartenden Droschke geführt. Watson blieb noch bei Holmes und beglückwünschte ihn zu dem neu seinem Lorbeer hinzugefügten Blatt. Ihr Gespräch wurde wieder durch den unerschütterlichen Billy unterbrochen, der mit dem Tablett kam.
      »Lord Cantlemere, Sir.«
      »Führen Sie ihn herauf, Billy. Das ist der erhabene Peer, der die allerhöchsten Interessen repräsentiert«, sagte Holmes. »Ein trefflicher, gesetzestreuer Herr, aber mehr vom alten Regime. Sollen wir ihn auftauen? Wollen wir uns auf gut Glück eine kleine Freiheit mit ihm erlauben? Er weiß vermutlich nichts von dem, was sich hier ereignet hat.«
      Die Tür öffnete sich für eine dünne, feierliche Gestalt mit scharfgeschnittenen Gesichtszügen und hängendem Schnurrbart, wie man ihn in der mittelvictorianischen Zeit trug und der von einem glänzendem Schwarz war, das mit dem gerundeten Rücken und der hinfälligen Haltung schwerlich übereinstimmen wollte. Holmes trat ihm freundlich entgegen und schüttelte die schlaffe Hand des Mannes.
      »Wie geht es Ihnen, Lord Cantlemere. Es ist für die Jahreszeit zu kalt, aber hier im Zimmer haben wir’s ziemlich warm. Darf ich um Ihren Mantel bitten?«
      »Nein, ich danke sehr, ich lege nicht ab.«
      Holmes legte ihm beharrend die Hand auf den Ärmel.
      »Bitte, erlauben Sie! Mein Freund, Dr. Watson, könnte Sie davon überzeugen, daß diese Temperaturwechsel sehr heimtückisch sind.«
      Seine Lordschaft schüttelte die Hand ziemlich ungeduldig ab.
      »Ich fühle mich sehr wohl, Sir. Es besteht keine Veranlassung zum Verweilen. Ich schaue nur einfach herein, um zu erfahren, wie Sie mit Ihrer selbstgewählten Aufgabe vorankommen.«
      »Sie ist schwierig – sehr schwierig.«
      »Ich habe befürchtet, daß Ihnen das aufgehen würde.«
      In den Worten wie in der Haltung des alten Höflings lag eine gewisse Stichelei.
      »Jeder Mensch stößt einmal an seine Grenzen, Mr. Holmes, aber zum mindesten kuriert dies uns von der Schwäche der Selbstzufriedenheit.«
      »Ja, Sir, das war eine bestürzende Erfahrung.«
      »Zweifellos.«
      »Speziell in einem Punkt. Vielleicht können Sie mir in der Frage

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