Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5
Weil ich gegeben hatte, dachte er offenbar, daß ich immer weiter geben müsse, und nur ihm. Es war unerträglich. Schließlich mußte ich ihm das deutlich zu spüren geben.«
»Indem Sie Schläger engagierten, die ihn unter Ihrem Fenster verprügelten.«
»Sie scheinen wirklich alles zu wissen. Ja, es stimmt, Barney und seine Jungs vertrieben ihn und taten das, ich gebe es zu, ein bißchen ungehobelt. Und daraufhin, was tat er? Konnte ich ahnen, daß ein Gentleman so handeln würde? Er schrieb ein Buch, in dem er seine eigene Geschichte erzählte. Ich war darin natürlich der Wolf, er das Lamm. Das Buch enthielt die ganze Geschichte, selbstverständlich unter anderen Namen. Aber wer in London hätte die Personen und Umstände nicht erkannt? Was sagen Sie nun, Mr. Holmes?«
»Aber es war sein Recht.«
»Es war nicht anders, als sei ihm die Atmosphäre Italiens ins Blut gegangen und mit ihr der alte grausame italienische Geist. Er schrieb mir und übersandte eine Kopie seines Buches, damit ich eine Vorahnung der Qual erfahren sollte. Er schrieb, es gebe zwei Kopien – eine für mich und eine für den Verleger.«
»Woher wußten Sie, daß der Verleger keine Kopie erhalten hatte?«
»Ich kannte seinen Verleger. Sie müssen wissen, daß dies nicht der erste Roman war, den er geschrieben hat. Ich bekam heraus, daß der noch nichts gehört hatte. Dann starb Douglas plötzlich. Solange das zweite Manuskript existierte, gab es für mich keine Sicherheit. Es mußte sich natürlich in seinem Nachlaß befinden, und der würde seiner Mutter überstellt werden. So bediente ich mich denn der Dienste der Bande. Ein Mitglied wurde ins Haus geschmuggelt. Ich wollte die Angelegenheit ehrlich zu Ende bringen. Ich zeigte mich bereit, das Haus mit allem, was sich darin befand, zu kaufen. Und ich wollte jeden Preis zahlen, den seine Mutter forderte. Erst als das Angebot fehlschlug, versuchte ich es auf die andere Art. Zugegeben, Mr. Holmes, ich bin mit Douglas zu hart verfahren – und es tut mir, weiß Gott, leid –, doch was hätte ich sonst tun sollen, da meine ganze Zukunft auf dem Spiel stand?«
Sherlock Holmes zuckte die Achseln.
»Na gut«, sagte er, »ich nehme an, ich werde wohl ein Verbrechen aus der Welt schaffen müssen. Wieviel würde wohl eine Weltreise Erster Klasse kosten?«
Die Dame starrte ihn überrascht an.
»Vielleicht fünftausend Pfund?«
»Nun, ich glaube schon.«
»Sehr gut. Ich denke, Sie schreiben mir einen Scheck über die Summe aus, und ich werde dafür sorgen, daß Mrs. Maberley ihn erhält. Sie schulden ihr ein bißchen Luftveränderung. Und im übrigen, meine Dame –«, er drohte ihr mit dem Finger, »nehmen Sie sich in acht! Wirklich, nehmen Sie sich in acht! Sie können nicht auf ewig mit scharfen Instrumenten spielen, ohne sich die zarten Händchen zu zerschneiden.«
Der Vampir von Sussex
Holmes hatte einen Brief, der mit der letzten Post gekommen war, sorgfältig gelesen. Dann warf er ihn mit einem trockenen Kichern, seiner Art zu lachen, mir hin.
»Als Mischung aus Modernem und Mittelalterlichem, Wirklichkeit und wild Phantastischem ist dies, denke ich, gewiß der Gipfel«, sagte er. »Was halten Sie davon, Watson?«
Ich las das Folgende:
Oldjewry46
19. Nov.
Betrifft: Vampire
Sir,
Unser Kunde Mr. Robert Ferguson, von Ferguson & Muirhead, Teehändler aus der Mincing Lane, bittet uns um Mitteilung von Daten, Vampire betreffend. Da unsere Firma ausschließlich auf das Taxieren von Maschinen spezialisiert ist, fällt diese Sache kaum in unser Fachgebiet. Wir haben Mr. Ferguson deshalb empfohlen, sich an Sie zu wenden und Ihnen seine Fragen vorzutragen. Wir haben Ihr erfolgreiches Wirken in Sachen Matilda Briggs nicht vergessen.
Wir sind, Sir, Ihre ergebenen
Morrison, Morrison und Dodd
»Matilda Briggs war nicht der Name einer jungen Frau, Watson«, sagte Holmes, in Erinnerungen kramend. »Es war ein Schiff, das mit der Riesenratte auf Sumatra in Zusammenhang steht, eine Geschichte, für die die Welt jedoch noch nicht bereit ist. Aber was wissen wir über Vampire? Fällt das etwa in unser Fachgebiet? Wiederum ist es besser, ein bißchen was zu tun, als untätig zu bleiben, obwohl mir doch scheint, wir sitzen in dem Falle einem Grimmschen Märchen auf. Rekken Sie einmal den Arm, Watson, und schauen Sie nach, was der Buchstabe V uns mitteilen kann.«
Ich lehnte mich zurück und langte den großen Index-Band
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