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Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Titel: Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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herunter, den er meinte. Holmes legte ihn sich auf den Knien zurecht, und seine Augen bewegten sich langsam und liebevoll über das mit Informationen aus einem Lebensalter gespickte Verzeichnis alter Fälle. »Verhängnisvolle Fahrt der ›Gloria Scott‹« las er. »Das war ein schlechter Auftrag. Ich habe vage die Erinnerung, daß Sie darüber einen Bericht anfertigten, aber ich konnte Sie zu dem Resultat wohl nicht beglückwünschen. Victor Lynch, der Fälscher. Vergiftung durch Krustenechse (Gila). Bemerkenswerter Fall! Vittoria, die Schöne vom Zirkus. Vanderbilt und der Geldschrankknacker. Vipern. Vigor, das Wunder von Hammersmith. Hallo! hallo! Gutes altes Register. Es ist unschlagbar. Hören Sie sich das an, Watson: Vampirismus in Ungarn. Und hier wieder: Vampire in Transsylvanien.« Eifrig schlug er die entsprechenden Seiten auf, aber nachdem er eine kleine Weile gespannt gelesen hatte, warf er das große Buch mit enttäuschtem Schnaufen beiseite.
      »Das ist ausgemachter Plunder, Watson. Was haben wir mit umgehenden Toten zu schaffen, die nur in ihren Gräbern festgehalten werden können, wenn man ihnen Pflöcke in die Herzen treibt. Das ist reiner Wahnsinn.«
      »Aber muß denn«, sagte ich, »ein Vampir notwendigerweise ein Toter sein? Auch eine lebende Person kann solche Gewohnheiten zeigen. Ich habe zum Beispiel von Alten gelesen, die das Blut Junger saugen, um ihre Jugend wiederzuerlangen.«
      »Sie haben recht, Watson. Hier wird die Legende auch erwähnt. Aber sollten wir wirklich im Ernst derartige Dinge beachten? Unsere Agentur steht fest auf dem Boden der Tatsachen, und das muß so bleiben. Die Welt ist groß genug für uns. Wir brauchen keine Gespenster. Ich fürchte, wir können Mr. Robert Ferguson nicht sehr ernst nehmen. Vielleicht kommt dieses Schreiben hier von ihm und wirft ein Licht auf das, was ihm Sorgen bereitet.«
      Er nahm einen zweiten Brief, der, während er mit dem ersten beschäftigt war, unbeachtet auf dem Tisch gelegen hatte. Er begann ihn mit amüsiertem Lächeln zu lesen, aber allmählich verlor sich das Lächeln, und ein Ausdruck intensiver Anteilnahme und Konzentration trat in sein Gesicht. Als er zu Ende gelesen hatte, saß er kurze Zeit in Gedanken verloren und hielt den Brief lose zwi schen den Fingern. Mit einem Ruck fuhr er endlich aus seinen Träumen.
      »Cheeseman’s Haus, Lamberley. Wo liegt Lamberley, Watson?«
      »In Sussex, südlich von Horsham.«
      »Nicht sehr weit, wie? Und Cheeseman’s?«
      »Ich kenne die Gegend, Holmes. Sie ist voller alter Häuser, die man nach den Männern benannt hat, die sie vor Jahrhunderten erbauten. Es gibt Oldleys und Harveys und Carritons – die Leute sind vergessen, aber ihre Namen leben in ihren Häusern fort.«
      »Sehr gut«, sagte Holmes kühl. Es war eine Eigenart seiner stolzen, verschlossenen Natur, daß er, der seinem Gedächtnis jede neue Information sehr rasch und präzise einprägte, dem Spender nur sehr selten Anerkennung zollte. »Ich glaube fast, wir werden viel mehr über Cheeseman’s Haus in Lamberley wissen, ehe wir dies hier hinter uns haben. Der Brief stammt, wie ich hoffte, von Robert Ferguson. Übrigens behauptet er, mit Ihnen bekannt zu sein.«
      »Mit mir!«
      »Lesen Sie lieber selber.«
      Er reichte mir den Brief. Oben stand der genannte Absender.

    Lieber Mr. Holmes (hieß es) – Meine Rechtsanwälte haben mich an Sie verwiesen, aber die Angelegenheit ist so außerordentlich heikel, daß es mir schwerfällt, sie zur Sprache zu bringen. Es handelt sich um einen Freund, für den ich mich bemühe. Der Herr heiratete vor fünf Jahren eine Dame aus Peru, die Tochter eines peruanischen Kaufmanns, den er gelegentlich eines Importgeschäfts mit Nitraten kennengelernt hatte. Die Dame war schön, aber der Umstand ihrer fremdländischen Herkunft und ihre andersgeartete Religion bewirkten eine bleibende Trennung der Interessen und Gefühle des Mannes und der Frau, so daß wohl nach einer gewissen Zeit seine Liebe zu ihr abgekühlt war und er die Verbindung als einen Irrtum angesehen haben mag. Er empfand, daß es in ihrem Charakter einige Züge gab, die er sich nie erklären oder nie würde verstehen können. Das war um so schmerzlicher, als sie eine liebevolle Frau war, wie ein Mann sie sich nur wünschen konnte – in jeder Hinsicht ihm völlig ergeben.
      Nun zu dem Punkt, den ich Ihnen näher erklären werde, wenn wir zusammentreffen. Denn diesen Brief schreibe ich nur, um

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