Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5
geplant habe.‹ Ich dachte, er machte Spaß, aber hinter seinen Worten steckte ein verdammt schwergewichtiger Sinn, wie mir bald klarwerden sollte.
Denn er hinterließ ein Testament, als er starb, und das war ein Jahr nachdem er diese Worte gesprochen hatte. Es war das verquerste Testament, das je im Staate Kansas registriert wurde. Sein Vermögen sollte in drei Teile gehen, und ich sollte eines unter der Bedingung bekommen, daß ich zwei Garridebs fand, die mit mir zusammen die Hinterlassenschaft übernehmen wollten. Das bedeutet bis auf den Pfennig fünf Millionen Dollar für jeden, aber wir bekommen nichts in die Finger, bevor wir nicht alle drei in Reihe dastehen.
Das war eine so große Chance, daß ich meine Anwaltspraxis sausen ließ und mich aufmachte, nach Garridebs Ausschau zu halten. In den Vereinigten Staaten fand ich keinen einzigen. Ich habe wie mit einem Staubkamm gearbeitet, Sir, und konnte keinen Garrideb auftreiben. Dann versuchte ich es mit England. Und da stand der Name im Londoner Telefonbuch. Ich suchte ihn vor zwei Tagen auf und erklärte ihm alles. Aber er ist ein alleinstehender Mann, wie ich auch, hat nur weibliche Verwandtschaft, keine männliche. Es heißt aber in dem Testament: Drei erwachsene Männer. Sie sehen also, wir haben noch immer einen Platz frei, und wenn Sie helfen könnten, ihn zu besetzen, werden wir Ihnen sehr bereitwillig Ihr Honorar zahlen.«
»Nun, Watson«, sagte Holmes lächelnd, »ich sagte, es sei eine ziemlich wunderliche Angelegenheit. Und die ist es doch wohl auch, oder nicht? Ich hätte gedacht, Sir, daß für Sie das Nächstliegende gewesen wäre, in den Zeitungen zu annoncieren.«
»Das habe ich getan, Mr. Holmes. Keine Antworten.«
»Lieber Himmel! Also bleibt ein höchst merkwürdiges kleines Problem. Vielleicht werfe ich in meiner Mußezeit einen Blick darauf. Übrigens, es trifft sich seltsam, daß Sie ausgerechnet aus Topeka kommen. Ich hatte dort einen Briefpartner – er ist nun tot – den alten Dr. Lysander Starr, der
1890 Bürgermeister war.«
»Guter alter Dr. Starr!« sagte unser Besucher. »Sein Name wird heute noch geehrt. Nun, Mr. Holmes, ich denke, alles, was wir tun können, wäre, daß wir Ihnen berichten und Sie wissen lassen, wenn wir Fortschritte machen. Ich schätze, Sie werden in einigen Tagen von uns hören.« Mit dieser Zusicherung verbeugte sich unser Amerikaner und verabschiedete sich.
Holmes hatte seine Pfeife angezündet und saß eine Weile mit einem eigentümlichen Lächeln da.
»Nun?« fragte ich schließlich.
»Ich zerbreche mir den Kopf, Watson – wirklich, ich zerbreche mir den Kopf.«
»Worüber?«
Holmes nahm die Pfeife aus dem Mund.
»Ich zerbreche mir den Kopf darüber, Watson, wieso um alles in der Welt dieser Mann uns ein solches Lügengeschwätz auftischt. Ich hätte ihn das fast gefragt – denn es gibt Momente, wo ein brutaler Frontalangriff die beste Politik ist –, aber ich erachtete es für besser, ihn annehmen zu lassen, daß er uns an der Nase herumführen kann. Da sitzt ein Mann in einem englischen Rock mit abgewetzten Ellbogen und steckt in Hosen, die an den Knien von einem Jahr Tragen ausgeheult sind, und ist doch nach diesem Dokument und seinem eigenen Erzählen ein amerikanischer Provinzler und kürzlich erst in London angekommen. In den Seufzerspalten sind keine Annoncen erschienen. Sie wissen, daß mir dort nichts entgeht. Das sind mir die Schlupfwinkel, aus denen ich die Vögel am liebsten aufstöbere; und so einen Fasanenhahn hätte ich nie übersehen. Ich habe keinen Dr. Lysander Starr aus Topeka gekannt. Packen Sie ihn, wo Sie wollen, er ist überall verlogen. Ich glaube, der Bursche ist wirklich Amerikaner, aber sein Akzent ist durch jahrelangen Aufenthalt in London abgewetzt. Was also wird gespielt, und welches Motiv steht hinter dieser abgeschmackten Suche nach Garridebs? Die Fragen sind unserer Aufmerksamkeit wert; denn obwohl wir für erwiesen halten, daß der Mann ein Schurke ist, ist er doch ein verwirrender und erfinderischer Schurke. Wir müssen nun herausfinden, ob es sich bei dem anderen, der uns den Brief geschrieben hat, auch um einen Betrüger handelt. Läuten Sie ihn gleich mal an, Watson.« Ich tat es und hörte eine dünne, zitternde Stimme am anderen Ende des Drahts.
»Ja, ja, ich bin Mr. Nathan Garrideb. Ist dort Mr. Holmes? Ich würde sehr gern mit Mr. Holmes sprechen.« Mein Freund nahm den Apparat, und ich hörte
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