Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5
das Zimmer sehr selten. Ich bin nicht allzu kräftig, und meine Forschungen erfordern meine ganze Kraft. Da können Sie sich vorstellen, Mr. Holmes, was für einen fürchterlichen Schock es für mich bedeutete – es war erfreulich, doch auch fürchterlich –, als ich von diesem unvergleichlichen Glück erfuhr. Es braucht nur noch einen Garrideb, um die Sache zum Abschluß zu bringen, und sicherlich wird es gelingen, einen zu finden. Ich hatte einen Bruder, aber der ist tot, und weibliche Verwandte zählen ja nicht. Doch es gibt bestimmt noch andere Garridebs auf der Welt. Ich hörte, Sie befassen sich mit seltsamen Fällen, und darum habe ich mich an Sie gewandt. Natürlich ist dieser amerikanische Gentleman ganz im Recht, und ich hätte zuerst seinen Rat einholen sollen, aber mit meiner Handlungsweise verfolgte ich nur Gutes.«
»Ich glaube, Sie handelten in der Tat sehr weise«, sagte Holmes. »Aber sind Sie wirklich begierig, Besitz in Amerika zu erwerben?«
»Gewiß nicht, Sir. Nichts könnte mich veranlassen, meine Sammlung aufzugeben. Dieser Gentleman hat mir jedoch versichert, er wolle mich auszahlen, sobald wir unsere Anteile übernommen haben. Von fünf Millionen Dollar war die Rede. Gegenwärtig befindet sich ein Dutzend verschiedenster Exemplare auf dem Markt, die die Lücken meiner Sammlung füllen würden und die ich nicht kaufen kann, weil mir ein paar hundert Pfund fehlen. Bedenken Sie nur, was ich mit fünf Millionen Dollar anfangen könnte. Ich könnte den Grundstein für eine National-Sammlung legen. Ich kann der Hans Sloane meiner Zeit werden.«
Seine Augen funkelten hinter den großen Bril
lengläsern. Es war ganz klar, daß Mr. Nathan Garrideb keine Mühen scheuen würde, den Namensvetter zu entdecken.
»Ich bin nur vorbeigekommen, um Ihre Bekanntschaft zu machen, und ich sehe keinen Grund, weshalb ich Sie in Ihren Studien stören sollte«, sagte Holmes. »Ich ziehe es vor, zu Leuten, mit denen ich geschäftlich zu tun habe, persönlichen Kontakt herzustellen. Ich brauche nur wenig zu fragen, da ich Ihren äußerst klaren Bericht in der Tasche habe und das Fehlende bereits ausfüllen konnte, als der amerikanische Gentleman bei mir vorsprach. Wenn ich recht verstehe, so hatten Sie bis zu dieser Woche von seiner Existenz keine Ahnung.«
»So ist es. Er meldete sich am letzten Dienstag.«
»Hat er Ihnen von unserem heutigen Gespräch erzählt?«
»Ja, er kam direkt zu mir zurück. Er war ärgerlich.«
»Aus welchem Grunde war er ärgerlich?«
»Er schien zu denken, ich hätte Ihnen geschrieben, weil ich seine Ehrenhaftigkeit anzweifelte. Aber als er wiederkam, war er dann ganz fröhlich.«
»Hat er irgendwelche Schritte vorgeschlagen?«
»Nein, Sir, vorgeschlagen hat er nichts.«
»Haben Sie ihm Geld gegeben, oder hat er Sie um Geld gebeten?«
»Nein, Sir, nie.«
»Sie sehen nichts, das er möglicherweise im Auge haben könnte?«
»Nichts, ich weiß nur, was er erklärt hat.«
»Haben Sie ihm von unserer telefonischen Verabredung erzählt?«
»Ja, Sir, das habe ich getan.«
Holmes verlor sich in Gedanken. Ich erkannte, daß ihn etwas verwirrte.
»Haben Sie in Ihrer Sammlung Gegenstände von großem Wert?«
»Nein, Sir. Ich bin kein reicher Mann. Es ist eine gute, aber keine sehr wertvolle Sammlung.«
»Einbrecher fürchten Sie nicht?«
»Nicht im geringsten.«
»Wie lange bewohnen Sie diese Zimmer?«
»Fast fünf Jahre.«
Holmes’ Verhör wurde von einem fordernden Klopfen an der Tür unterbrochen. Unser Klient hatte die Klinke kaum niedergedrückt, als der amerikanische Anwalt auch schon aufgeregt in den Raum platzte.
»Hier, bitte!« schrie er, ein Papier über dem Kopf schwenkend. »Ich dachte, ich müßte sofort zu Ihnen kommen. Mr. Nathan Garrideb, meine Glückwünsche! Sie sind ein reicher Mann, Sir. Unser Geschäft ist glücklich beendet, und alles ist gut. Was Sie betrifft, Mr. Holmes, da können wir nur sagen, es tut uns leid, daß wir Ihnen nutzlos Ungelegenheiten bereiteten.«
Er überreichte das Papier unserem Klienten, und der starrte auf ein angezeichnetes Zeitungsinserat. Holmes und ich beugten uns vor und blickten ihm über die Schulter. Und das lasen wir:
HOWARD GARRIDEB
Konstrukteur von Landwirtschaftsmaschinen
Garbenbinder, Mähmaschinen und Handpflüge,
Drillmaschinen,
Eggen, landwirtschaftliche Wagen, Bockwagen
und alle anderen
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