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Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Titel: Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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den üblichen verkürzten Dialog.
      »Ja, er ist hier gewesen. Sie kennen ihn also nicht… Wie lange?… Erst seit zwei Tagen!… Ja, ja, gewiß, es sind höchst bestrickende Aussichten. Sind Sie heute abend zu Hause? Ich nehme an, Ihr Namensvetter ist dann nicht anwesend… Sehr gut, wir kommen also; ich würde wirklich lieber mit Ihnen allein plaudern… Ich bringe Dr. Watson mit… Aus Ihrem Brief entnahm ich, daß Sie nicht oft ausgehen… Gut, wir sind gegen sechs bei Ihnen. Sie brauchen das vor dem amerikanischen Anwalt nicht zu erwähnen… Sehr gut. Auf Wiedersehen!«
      Es herrschte das Zwielicht eines lieblichen Frühlingsabends, und sogar die Little Ryder Street, eine der kleineren Nebenstraßen der Edgware Road, kaum einen Steinwurf vom alten Tyburn-Galgen üblen Angedenkens entfernt, lag golden und wunderbar unter den schräg einfallenden Strahlen der untergehenden Sonne. Das Haus, zu dem wir unsere Schritte lenkten, war ein großer, altmodischer, frühgeorgianischer Bau mit einer flachen Ziegelsteinfassade, die nur von zwei tiefen Erkerfenstern im Erdgeschoß unterbrochen war. Hier im Erdgeschoß wohnte unser Klient, und es stellte sich dann auch heraus, daß die unteren Fenster die Stirnseite eines großen Zimmers bildeten, in dem er die Stunden seines Wachseins verbrachte. Beim Eintritt zeigte Holmes auf das kleine Messingschild, auf dem der seltsame Name stand.
      »Es ist schon einige Jahre alt«, bemerkte er, auf die verfärbte Oberfläche deutend. »Und es ist wirklich sein Name; das verdient, festgehalten zu werden.«
      Im Haus gab es eine gemeinschaftliche Treppe für alle Mieter, und in der Halle waren eine Anzahl Namen zu lesen, von denen einige auf Büros, an dere auf Privatlogis hinwiesen. Bei letzteren handelte es sich nicht um Wohnungen, sondern eher um Absteigequartiere alleinstehender Bohemiens. Unser Klient öffnete uns die Tür selber und erklärte das, indem er sagte, die Aufwartefrau gehe um vier Uhr. Mr. Nathan Garrideb war ein sehr langer Mensch mit schlenkernden Gliedern und rundem Rücken, hager und kahlköpfig, einige Jahre über die sechzig hinaus. Sein Gesicht wirkte leichenhaft, mit der stumpfen toten Haut eines Menschen, dem körperliche Bewegung etwas Unbekanntes ist. Große runde Brillengläser und ein vorstehender kleiner Spitzbart zusammen mit der gebückten Haltung verliehen ihm den Ausdruck schnüffelnder Neugier. Ganz allgemein aber wirkte er liebenswürdig, wenngleich exzentrisch.
      Das Zimmer war so seltsam wie sein Bewohner. Es wirkte wie ein Museum. In dem großen Raum standen an allen Wänden Schränke und Vitrinen, angefüllt mit geologischen und anatomischen Mustern. Schaukästen voller Schmetterlinge und Motten flankierten beidseits den Eingang. Auf einem großen Tisch in der Mitte ragte aus einem unüberschaubaren Durcheinander das große Messingrohr eines starken Mikroskops. Ich schaute umher und war überrascht von der Universalität der Interessen des Mannes. Hier stand ein Kasten mit alten Münzen, da eine Vitrine mit Werkzeugen aus Feuerstein. Hinter dem Tisch sah ich einen breiten Schrank mit fossilen Knochen. Darüber befand sich eine Reihe gipserner Schädel, unter denen Schildchen mit gedruckten Namen, wie ›neandertalensis‹, ›heidelbergensis‹, ›CroMagnon‹ angebracht waren. Es war klar, daß er sich mit Studien auf vielen Gebieten beschäftigte. Als er nun vor uns stand, hielt er in der rechten Hand ein Stück Sämischleder, mit dem er eine Münze polierte.
      »Syracus – aus der besten Periode«, erklärte er und hielt die Münze hoch. »Gegen Ende zu sind sie mächtig entartet. In ihrer besten Periode halte ich sie für sehr hochstehend, obwohl einige die Schule von Alexandria vorziehen. Da steht ein Stuhl, Mr. Holmes. Gestatten Sie mir bitte, diese Knochen wegzuräumen. Und Sie – ach ja, Dr. Watson –, wenn Sie die Güte hätten, die japanische Vase zur Seite zu stellen. Sie sehen mich inmitten meiner unbedeutenden Interessen am Leben. Mein Doktor hält mir Predigten, weil ich nie ausgehe, aber warum sollte ich ausgehen, wenn ich so vieles habe, das mich zu Hause hält. Ich kann Ihnen versichern, wenn ich den Inhalt einer dieser Vitrinen hinlänglich katalogisieren wollte, würde es mich reichlich drei Monate kosten.« Holmes schaute neugierig umher.
      »Sie wollen mir doch wohl nicht sagen, Sie gingen nie aus?« fragte er.
      »Hin und wieder fahre ich zu Sotheby’s oder Christie’s. Ansonsten verlasse ich

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