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Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5

Titel: Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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bewundernswürdiger Zeuge«, sagte Holmes. »Vielleicht brauche ich einige der Daten, die Sie sich aufgeschrieben haben.«
      »Unter anderem habe ich auch methodisches Vorgehen von meinem großen Lehrer gelernt. Von der Zeit an, da ich Veränderungen in seinem Verhalten beobachtete, habe ich es für meine Pflicht gehalten, seinem Fall auf den Grund zu gehen. So habe ich hier notiert, daß es am selben Tag, am
    2. Juli, war, daß Roy den Professor angriff, als
    dieser aus seinem Arbeitszimmer in die Halle kam. Am 11. Juli gab es eine Szene derselben Art, eine weitere habe ich unter dem 20. Juli vermerkt. Danach mußten wir Roy in den Stall verbannen. Er war ein liebes, anhängliches Tier… Aber ich fürchte, ich ermüde Sie.«
      Mr. Bennett sagte das in vorwurfsvollem Ton, denn Holmes hörte offenbar nicht zu. Sein Gesicht war starr, und seine Augen blickten gedankenverloren zur Zimmerdecke. Mit einem Ruck sammelte er sich.
      »Seltsam! Höchst seltsam!« murmelte er. »Diese Einzelheiten waren mir neu, Mr. Bennett. Ich glaube, wir haben die Grundsituation nun genügend geklärt. Doch Sie sagten, es habe einige neue Entwicklungen gegeben.«
      Das angenehme, offene Gesicht unseres Besuchers verdüsterte sich, verdrießliche Erinnerungen warfen ihre Schatten. .
      »Was ich jetzt erzähle, geschah in der vorletzten Nacht«, sagte er. »Ich wurde gegen zwei Uhr morgens wach und vernahm ein dumpfes, undeutliches Geräusch, das aus dem Korridor kam. Ich öffnete die Tür und spähte hinaus. Ich sollte noch sagen, daß der Professor am Ende des Korridors schläft…«
      »Das war an welchem Tag?« fragte Holmes.
      Unseren Besucher verdroß die Unterbrechung durch eine so nebensächliche Frage sichtlich. »Ich sagte bereits, Sir, daß es in der vorletzten Nacht war – also am 4. September.«
      Holmes nickte und lächelte. »Bitte, fahren Sie fort«, sagte er.
      »Er schläft also am Ende des Flurs und muß, um die Treppe zu erreichen, an meiner Tür vorüber. Es war ein wirklich furchterregendes Erlebnis, Mr. Holmes. Ich glaube, ich habe Nerven, aber was ich sah, erschütterte mich. Der Korridor war dunkel, nur durch ein Fenster etwa in der Mitte fiel ein Lichtstreifen herein. Ich konnte sehen, daß etwas den Flur entlangkam, etwas Dunkles, Gebücktes. Dann plötzlich geriet es in den Lichtstreifen, und ich erkannte, daß er es war. Er kam gekrochen, Mr. Holmes – er kroch! Nicht auf den Händen und Knien. Ich würde eher sagen, auf den Händen und den Füßen, und der Kopf baumelte zwischen den Armen. Und dennoch schien er sich leicht zu bewegen. Ich war von diesem Anblick gelähmt, so daß ich erst imstande war, an ihn heranzutreten und ihn zu fragen, ob ich ihm helfen könne, als er vor meiner Tür ankam. Seine Antwort war außerordentlich. Er richtete sich auf, spie mir einige abscheuliche Wörter entgegen und lief schnell weiter und die Treppe hinab. Ich wartete etwa eine Stunde, aber er kam nicht zurück. Es muß schon taghell gewesen sein, ehe er wieder in seinem Zimmer war.«
      »Na, Watson, was halten Sie davon?« fragte Holmes mit der Miene eines Pathologen, der ein seltenes Exemplar vorführt.
      »Hexenschuß, möglicherweise. Ich habe einmal einen schweren Anfall erlebt, bei dem ein Mann gezwungen war, sich genauso fortzubewegen; nichts kann einen mehr außer sich bringen.«
      »Gut, Watson. Sie versuchen immer, uns phantasielos am Boden zu halten. Aber Hexenschuß können wir schwerlich annehmen, da er imstande war, sich aufzurichten.«
      »Um seine Gesundheit hat es nie besser gestanden«, sagte Bennett. »Er ist tatsächlich so kräftig, wie ich ihn seit Jahren nicht kannte. Das sind nun alle Fakten, Mr. Holmes. Es ist kein Fall, in dem wir die Polizei konsultieren könnten; aber wir sind mit unserer Weisheit am Ende und wissen nicht, was wir tun sollen. Wir haben das dunkle Gefühl, daß wir auf ein Unglück zutreiben. Edith – Miss Presbury – denkt wie ich, daß wir nicht länger untätig bleiben dürfen.«
      »Das. ist ein ganz seltsamer Fall, der zu mancherlei Vermutungen Anlaß gibt. Was meinen Sie, Watson?«
      »Als Arzt«, sagte ich, »scheint es mir eher ein Fall für den Psychiater zu sein. Die Hirntätigkeit des alten Herrn ist durch die Liebesaffäre in Unordnung geraten. Er machte eine Auslandsreise in der Hoffnung, er könnte sich von der Leidenschaft losreißen. Die Briefe und der Kasten hängen vielleicht mit irgendwelchen anderen privaten

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