Das Notizbuch von Sherlock Holmes, Bd. 5
Sie herbestellt?«
»Ich möchte lieber keine Fragen beantworten«, sagte Holmes.
»Das glaube ich Ihnen gern«, sagte der Professor scharf. »Dennoch kann diese besondere Frage sehr leicht auch ohne Ihre Hilfe beantwortet werden.«
Er ging durch den Raum zum Klingelzug. Auf den Ruf hin erschien unser Londoner Freund Mr. Bennett.
»Kommen Sie herein, Mr. Bennett. Diese beiden Herren sind unter dem Eindruck aus London gekommen, daß sie herbestellt worden seien. Sie erledigen meine ganze Korrespondenz. Gibt es da einen Brief, der an eine Person namens Holmes gegangen ist?«
»Nein, Sir«, antwortete Bennett und errötete.
»Das ist schlüssig«, sagte der Professor und blickte meinen Gefährten zornig an. »Nun, mein Herr« – er stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch und lehnte sich vor –, »mir scheint, daß Sie sich in einer sehr fragwürdigen Lage befinden.«
Holmes zuckte die Schultern.
»Ich kann nur wiederholen, es tut mir sehr leid, daß wir Sie unnötig gestört haben.«
»Das genügt nicht, Mr. Holmes!« schrie der alte Mann mit hoher kreischender Stimme, und in seinem Gesicht stand außerordentliche Bosheit. Während er sprach, trat er zwischen uns und die Tür und schüttelte gegen uns die Fäuste in wilder Wut. »So leicht werden Sie da kaum rauskommen.« Sein Gesicht zuckte, und er fletschte die Zähne und stieß in Raserei sinnlose Wörter hervor. Ich bin überzeugt, wir hätten uns den Weg freikämpfen müssen, wäre nicht Mr. Bennett eingesprungen.
»Mein lieber Herr Professor«, rief er, »bedenken Sie Ihre Position! Bedenken Sie den Skandal an der Universität! Mr. Holmes ist ein sehr bekannter Mann. Sie können ihn unmöglich so unhöflich behandeln.«
Verdrießlich gab unser Gastgeber – wenn ich ihn so nennen darf – den Weg zur Tür frei. Wir waren froh, als wir das Haus verlassen hatten und auf dem ruhigen baumgesäumten Fahrweg standen. Holmes schien über den Zwischenfall sehr amüsiert.
»Die Nerven unseres gelehrten Freundes sind ein wenig durcheinander. Vielleicht war unser Eindringen ein bißchen ungeschliffen, und doch haben wir nun den persönlichen Kontakt hergestellt, den ich mir wünschte. Aber um Himmels willen, Watson, er ist uns sicherlich auf den Fersen. Der Kerl verfolgt uns!«
Hinter uns hörten wir das Geräusch schneller Schritte, aber es war, zu meiner Erleichterung, nicht der fürchterliche Professor, sondern sein Assistent, der um die Wegkurve bog. Keuchend erreichte er uns.
»Es tut mir sehr leid, Mr. Holmes. Ich möchte mich entschuldigen.«
»Mein lieber Herr, das ist nicht nötig. So etwas hängt nun einmal mit meinem Beruf zusammen.«
»Ich habe ihn nie in einer gefährlicheren Laune gesehen. Er verfinstert sich immer mehr. Jetzt verstehen Sie, warum wir, seine Tochter und ich, alarmiert sind. Und dennoch ist sein Geist völlig klar.«
»Zu klar. Das war meine Fehlkalkulation. Es hat sich erwiesen, daß sein Gedächtnis viel verläßlicher ist, als ich dachte. Übrigens: Können wir, ehe wir gehen, das Fenster von Miss Presburys Zimmer sehen?«
Mr. Bennett bahnte den Weg durch einige Sträucher, und wir taten einen Blick auf die Seite des Hauses.
»Dort ist es, das zweite von links.«
»Gott, das Fenster scheint kaum erreichbar. Aber sehen Sie die Kletterpflanzen und das Regenrohr, das dem Fuß Halt geben kann?«
»Ich könnte nicht da hinaufklettern«, sagte Bennett.
»Wahrscheinlich nicht. Es wäre sicherlich ein gefährlicher Ausflug für einen normalen Mann.«
»Da ist noch etwas, das ich Ihnen sagen möchte, Mr. Holmes. Ich habe die Adresse des Mannes in London, mit dem der Professor korrespondiert. Heute morgen scheint er an ihn geschrieben zu haben; ich habe den Namen vom Löschpapier abgelesen. Das ist für einen Sekretär, dem man ver traut, eine unwürdige Handlung. Aber was soll ich tun?«
Holmes warf einen Blick auf das Stück Löschpapier und steckte es in die Tasche.
»Dorak – ein seltsamer Name. Kommt mir slawisch vor. Ja, das ist ein wichtiges Kettenglied. Wir fahren morgen nachmittag nach London zurück, Mr. Bennett. Ich sehe in unserem Bleiben keinen Sinn. Wir können den Professor nicht einsperren, er hat schließlich kein Verbrechen begangen, und wir können ihn nicht unter Aufsicht stellen, da sich nicht beweisen läßt, daß er verrückt ist. Zur Zeit ist ein Einschreiten nicht möglich.«
»Was sollen
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