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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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versuchte, sich vom Pistolenlauf wegzudrehen, doch der Expolizist drückte ihn mit seinem Gewicht zu Boden.
    »Bitte«, flehte er plötzlich, »Bitte, ich lass sie in Ruhe, ich versprech’s. Ich lass sie in Ruhe …«
    »Schon mal ’n Anfang, Arschloch. Und weiter?«
    »Ich werde mich nie mehr bei ihr blicken lassen. Ich verschwinde aus ihrem Leben. Ich halte mich fern. Was soll ich noch sagen?«
    O’Connell fing beinahe zu schluchzen an. Es klang mit jedem Wort erbärmlicher.
    »Ich muss drüber nachdenken, Mikeyboy.«
    Murphy senkte die vorgehaltene Hand und zog die Waffe von O’Connells Gesicht zurück. »Keine Bewegung, ich seh mich nur ein bisschen um.«
    Er ging zu dem billigen Tisch hinüber, auf dem der Computer stand. Dort lagen ein paar unbeschriftete, wiederverwendbare Disketten verstreut. Murphy schnappte sie sich und steckte siein die Jackentasche. Dann drehte er sich wieder zu dem jungen Mann um, der immer noch am Boden lag. »Hast du da deine Ashley-Datei drin? Pfuschst du damit im Leben von Leuten herum, die zehn Klassen besser sind als du?«
    O’Connell nickte nur, und Murphy grinste. »Ich glaube nicht«, erklärte er energisch. »Jetzt nicht mehr.« Im selben Moment ging der Griff seiner Waffe auf die Tastatur nieder. »Ups«, sagte er, als das Plastik zersplitterte. Zwei weitere Schläge auf den Bildschirm sowie das Touchpad, und der Laptop war ein Trümmerhaufen.
    O’Connell sah zu, ohne ein Wort zu sagen. Mit dem Pistolenlauf stocherte Murphy in den Bruchstücken herum. »Ich glaube, wir hätten es dann eigentlich, Mikeyboy …« Er kam zu O’Connell zurück und baute sich über ihm auf. »Ich möchte, dass du dir was merkst«, sagte er mit Nachdruck.
    »Was?«, fragte O’Connell. Seine Augen waren wie erwartet tränennass.
    »Ich kann dich jederzeit finden. Ich stöber dich jederzeit auf, egal, in welchem Rattenloch du dich verkriechst.«
    Der Jüngere nickte nur stumm.
    Murphy starrte ihn mit einem durchbohrenden Blick an, um festzustellen, ob er in seinem Gesicht noch eine Spur von Auflehnung entdecken konnte – irgendetwas anderes als Gefügigkeit. Als er sich vom Gegenteil überzeugt hatte, lächelte er.
    »Gut. Du hast heute Abend eine Menge gelernt, Mikeyboy. Eine richtige Lektion. War doch gar nicht so schwer, oder? Unser kleines Plauderstündchen war mir ein echtes Vergnügen. Dir doch sicher auch? Vielleicht doch nicht. Aber da wäre noch eine Sache …«
    Blitzschnell kniete er sich hin und drückte O’Connell erneut fest zu Boden. Mit derselben Bewegung stieß er ihm den Lauf der Automatik in den Mund, so dass er gegen seine Zähneknallte. Er sah den Ausdruck der Panik in den Augen des jungen Mannes – genau das, was er bezweckte.
    »Peng«, machte er ruhig.
    Dann zog er die Waffe langsam heraus, stand auf, grinste ihm noch einmal zu und ging.
     
    Die kühle Nachtluft schlug Murphy entgegen, und er hätte am liebsten den Kopf zurückgelegt und laut gelacht. Er steckte die Automatik .380 wieder in sein Schulterhalfter, strich das Jackett darüber glatt, um präsentabel auszusehen, und setzte sich in Bewegung. Zügig, doch ohne Hast ging er die Straße entlang und genoss die Dunkelheit, die Stadt und das Gefühl des Erfolgs. Er überlegte, wie lange er nach Springfield zurück brauchen würde und ob es noch für ein spätes Abendessen reichte. Nach wenigen Schritten fing er an, vor sich hin zu summen. Er hatte recht behalten: Die Gelegenheit, sich einen Dreckskerl wie O’Connell vorzuknöpfen, war die zehn Prozent Nachlass wert, die er Sally Freeman-Richards gewähren wollte. Das war doch wirklich nicht schwer, sagte er in Gedanken. Es war ein befriedigendes Gefühl zu wissen, dass er noch immer die alten Tricks draufhatte, und er fühlte sich viel jünger. Gleich am Morgen würde er einen kleinen Bericht zusammenstellen, der allerdings die Teile aussparte, bei denen die Automatik eine entscheidende Rolle gespielt hatte. Den würde er zusammen mit seiner Rechnung an Sally schicken und ihr seine abschließende Einschätzung mitteilen, dass sie sich um Michael O’Connell nie wieder Gedanken machen müsse. Murphy hielt sich zugute, ziemlich genau sagen zu können, was Angst bei schwachen Menschen ausrichten kann.
     
    O’Connell spürte einen pochenden Schmerz im Ohr, und ihm brannte die Wange. Er rechnete damit, dass ein, zwei Zähnelocker waren, da er Blut auf der Zunge schmeckte. Seine Glieder waren steif, als er sich vom Boden hochrappelte, doch er ging sofort zum

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