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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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einem Stapel verschwitzter Sportkleidung verborgen.
    Ein einzelner Stiefel ergab keinen Sinn.
    Sie sah sich nach dem zweiten um, konnte aber keinen finden. Das machte ihr zu schaffen. Sie stand reglos da und starrte auf den Stiefel, als habe er ihr etwas zu sagen. Dann griff sie in den hintersten Winkel, schob behutsam die Kleidung weg und nahm den Stiefel heraus. Er war schwer, und sie dachte sofort, dass etwas darin versteckt sein musste. Wie eine Chirurgin, die ein Stück Haut zurückschält, nahm sie die Socke heraus.
    Sie stöhnte auf.
    Im Stiefel befand sich eine Pistole.
    Sie wollte danach greifen, mahnte sich aber, die Waffe nicht anzurühren. Ein Teil von ihr wollte sie packen, sie stehlen, sie einfach aus Michael O’Connells Reichweite entfernen. Ist das die Waffe, mit der er Ashley töten wird?
    Hope fühlte sich, als hätte sie jemand unter Wasser getaucht. Natürlich musste O’Connell, falls die Waffe weg war, den Schluss ziehen, dass einer von ihnen da gewesen war. Und er würde etwas unternehmen. Vielleicht würde es eine gewaltsame Reaktion auslösen. Vielleicht hatte er auch irgendwo eine zweite Waffe versteckt. Vielleicht, vielleicht. Ihr schwirrten Fragen und Zweifel durch den Kopf. Sie wünschte sich, sie hätte die Möglichkeit, die Waffe unschädlich zu machen, zum Beispiel, indem sie den Schlagbolzen entfernte. Sie hatte einmal in einem Krimi darüber gelesen, aber sie hatte keine Ahnung, wie man das machte. Die Patronen herauszunehmen, war nutzlos, da er merken würde, dass jemand da gewesen war, und sie einfach ersetzen würde.
    Sie starrte die Waffe an. Am Lauf sah sie das Fabrikat und das Kaliber, .25.
    Die Hässlichkeit der Pistole überwältigte sie beinahe.
    Unsicher, ob sie das Richtige tat, steckte sie die Waffe wieder in den Stiefel, diesen in die Ecke im Schrank und rückte die Kleider so zurecht, dass alles so aussah wie zuvor.
    Sie wäre am liebsten weggerannt. Wie lange war sie schon in der Wohnung? Fünf Minuten? Zwanzig? Sie glaubte, Schritte zu hören und Stimmen und merkte, dass sie halluzinierte. Hau ab!, sagte sie sich.
    Hope trat am Badezimmer linker Hand vorbei den Rückzug an. Auf der Höhe der kleinen Küche blieb sie stehen.
    Die Katzen, dachte sie. Mrs. Abrawowicz wird wissen wollen, ob sie eine Spur von ihnen entdeckt hatte.
    Sie spähte in den kleinen Raum. Kein Tisch, nur ein Kühlschrank, ein kleiner vierflammiger Herd und ein Regal mit ein paar Dosen Suppe und Eintopfgerichten. Kein Katzenfutter. Kein Rattengift, um es in eine tödliche Mahlzeit zu mischen.
    Hope ging zum Kühlschrank und zog die Tür auf. Ein bisschenBrotaufstrich und kaltes Bier war alles, was O’Connell hier aufbewahrte. Sie machte zu und öffnete, fast wie nebenbei die kleinere Klappe zum Tiefkühlfach, wo sie mit ein paar Pizzen rechnete.
    Was sie sah, war wie ein Schlag ins Gesicht, und sie konnte nur mühsam einen Schrei unterdrücken.
    Dort starrten ihr die Kadaver von mindestens einem halben Dutzend Katzen entgegen. Eine davon hatte fratzenartig die Zähne gebleckt, ein entsetzliches, eisiges Todesgrinsen.
    Hope bekam Panik, und sie machte, die Hand auf den Mund gelegt, einen Satz zurück. Ihr raste das Herz, ihr war speiübel, und sie fühlte sich fiebrig heiß. Sie wollte schreien, aber aus ihrer zugeschnürten Kehle drang kein Laut. Jede Faser in ihr schrie, lauf weg, nichts wie raus hier und komm nie wieder. Sie versuchte, sich zur Ruhe zu zwingen, doch sie hatte keine Chance. Als sie die Hand ausstreckte, um die Klappe zum Tiefkühlfach zu schließen, zitterte sie. Aus dem Flur hörte sie plötzlich ein Zischen. »Beeilen Sie sich! Jemand ist am Fahrstuhl!«
    Hope machte kehrt und rannte zur Wohnungstür.
    »Schnell!«, hörte sie Mrs. Abramowicz flüstern. »Da kommt jemand!«
    Die alte Dame lauerte immer noch in ihrer eigenen Wohnungstür, als Hope in den Flur geschossen kam. Sie sah, wie die Stockwerkanzeige über dem Fahrstuhl wechselte, während sie O’Connells Tür abschloss. Sie hantierte mit dem Schlüssel herum und ließ ihn beinahe fallen, als sie versuchte, ihn ins Schloss zu stecken.
    Mrs. Abramowicz wich zurück und suchte in ihren eigenen Räumen Zuflucht. Die Katzen zu ihren Füßen huschten hin und her, als spürten sie die Angst und Panik in der Stimme der alten Frau. »Schnell, schnell, wir müssen weg!«
    Hope sah, dass die alte Dame fast ganz hinter der Tür verschwunden war und diese angelehnt hatte. Sie spürte, wie der Schlüssel das Schloss zuschnappen

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