Das Opfer
Sachen waren quer über Boston verteilt.«
Er lächelte. »Ein bisschen so wie mein Hirn.«
»Was machen Sie im Moment?«, fragte ich.
»Im Moment?« Will sah seine Mutter an. »Im Moment warte ich einfach ab.«
»Abwarten? Was?«
»Weiß nicht«, sagte er. »Reha im Kopftrauma-Zentrum. Auf den Tag, an dem ich aus diesem Stuhl komme. Viel mehr kann ich nicht machen.«
Ich trat zurück, und seine Mutter wollte die Tür schließen.
»Hören Sie!«, rief er. »Meinen Sie, der Kerl, der mir das angetan hat, wird je gefunden?«
»Kann ich nicht sagen«, antwortete ich. »Aber sollte ich etwas rausfinden, dann gebe ich Ihnen Bescheid.«
»Ich hätte nichts gegen einen Namen und eine Adresse«, sagte er leise. »Ich glaube, ein paar Dinge würde ich gerne selbst erledigen.«
4
Eine Unterhaltung, die mehr sagt als Worte
Verbrechen, überlegte Michael O’Connell, hat etwas mit Verbindungen zu tun. Wenn man nicht erwischt werden will, muss man alles vernichten, was einen dazu in Beziehung setzt. Wenigstens sollte man seine Spuren so weit tilgen, dass ein Ermittler, der sämtliche Indizien durchforstet, sich keinen Reim darauf machen kann. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, während er sich vom Schaukeln der U-Bahn einlullen ließ. Er stand immer noch unter Strom. Einen Mann zusammenzuschlagen gab ihm eine Art Frieden, selbst wenn er nach wie vor spürte, wie sich seine Muskeln zusammenzogen und verhärteten. Er fragte sich, ob physische Gewalt immer so verführerisch sein würde.
Zu seinen Füßen hatte er eine billige blaue Sporttasche aus Segeltuch abgestellt und sich den Riemen lose um den Arm geschlungen. Darin befanden sich ein Paar Leder- und ein Paar Latexhandschuhe, ein fünfzig Zentimeter langes Klempnerrohr und die Brieftasche, die Will Goodwin gehörte, auch wenn er noch keine Zeit gefunden hatte, hineinzuschauen und nach dem Namen zu sehen.
Fünf Gegenstände, dachte O’Connell, fünf U-Bahn-Stationen. Er wusste, dass er übervorsichtig war, doch er sagte sich, dass eine präzise Vorgehensweise ihm nur zugute kommen konnte.
An dem Rohr klebte zweifellos das Blut des Mannes, den er gerade niedergeschlagen hatte. Das galt auch für die Lederhandschuhe. Vermutlich hatte er auch etwas davon an seinen Kleidern, vielleicht an seinen Schuhen, doch bis zum Vormittag würde alles im Waschsalon um die Ecke mehrfach durch heißes Wasser gejagt werden. Das war’s dann wohl mit Partikeln, die ihn mit dem Mann in Verbindung bringen konnten. Die Segeltuchtasche würde in einem Müllcontainer in Brockton landen, das Rohr auf einer Baustelle im Zentrum. Die Brieftasche war am besten in einer Mülltonne in der Nähe einer U-Bahn-Sta tion in Dorchester aufgehoben, und die Kreditkarten würde er quer durch Roxbury verstreuen, wo sie hoffentlich ein paar schwarze Jugendliche aufhoben, um sie zu benutzen. Er wusste, dass immer noch ein tiefer ethnischer Riss durch die Bostoner Bevölkerung ging, und so war zu hoffen, dass man diese Kids verdächtigen würde, den Kerl niedergeschlagen zu haben.
Die Latexhandschuhe, die er unter den Lederhandschuhen getragen hatte, konnte er sicher auf dem Heimweg loswerden, besonders, wenn er sie nicht weit vom Massachusetts General oder dem Brigham and Women’s Hospital in einen Abfall eimer warf, wo sie nicht weiter auffallen würden.
Er hätte gern gewusst, ob er den Mann, der Ashley geküsst hatte, getötet hatte.
Gut möglich, dachte er. Sein erster Schlag hatte ihn an der Schläfe erwischt, und Michael hatte den Schädel knacken gehört. Der Kerl war gefallen und rücklings gegen einen Baum geprallt, was gut war, weil es das Geräusch seines Sturzes gedämpft hatte. Selbst wenn jemand etwas gehört und neugierig aus dem Fenster gesehen hätte, wären er und der Mann, der Ashley geküsst hatte, hinter dem Baumstamm und einigen geparkten Autos verborgen gewesen. Er hatte ihn mühelos in den Schatten der schmalen Gasse gezogen. Das Treten undSchlagen hatte nur wenige Sekunden gedauert. Ein Ausbruch an Brutalität fast wie ein sexueller Höhepunkt, unnachgiebig, explosiv und dann vorbei. Während er den leblosen Körper hinter einige Tonnen schob, hatte er dem Mann die Brieftasche abgenommen, seine selbstgebastelte Waffe in die Segeltuchtasche gesteckt und war mit zügigen Schritten durch die Dunkelheit zur U-Bahnstation Porter Square zurückgelaufen.
Es war, fand O’Connell, unglaublich leicht gewesen. Unverhofft. Heimtückisch und anonym.
Für eine Sekunde kam ihm
Weitere Kostenlose Bücher