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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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also, ich bin nicht sicher, wie ich es am besten sagen soll – bevor es für ihn eng oder schwierig wurde? Er wusste ein paar Dinge, aber nicht allzu viele. Vor allem klafften jede Menge Informationslücken. Er war davon überzeugt, dass Ashley in Gefahr war, doch er wusste nicht, wie oder wo und wann oder was wir sonst alles noch wissen wollen, wenn wir uns einer Bedrohung bewusst werden. Für Scott Freeman gab es lediglich eine Reihe verstörender Dinge, die Fragen aufwarfen. Ihm war klar, dass dies nicht der Anfang und auch nicht das Ende war. Er war wie ein Wissenschaftler, der sich durch eine Gleichung quälte und den Kopf zerbrach, in welcher Richtung er suchen musste, um die Lösung zu finden …«
    Sie schwieg, und zum ersten Mal bekam auch ich eine Gänsehaut. »Ich muss los«, erklärte sie. »Wir bleiben im Gespräch.«
    »Aber …«, setzte ich an, doch sie fiel mir ins Wort.
    »Unentschlossenheit«, sagte sie. »Ein schlichtes Wort, doch eine Sache, die viel Böses nach sich ziehen kann, nicht wahr? Kurzschlussreaktionen natürlich auch. Handeln oder nicht handeln. Immer eine heikle Frage, meinen Sie nicht auch?«

5
Nameless
     
    Als Hope zur Tür ihres Hauses hereinkam, klatschte sie instinktiv zwei Mal in die Hände. Prompt hörte sie das leise Tapsen von Pfoten aus dem Wohnzimmer, wo ihr Hund viel Zeit damit verbrachte, aus dem Panoramafenster zu starren, um auf ihre Heimkehr zu warten. Diese Geräusche waren ihr nur allzu vertraut: zuerst der dumpfe Plumps, wenn er von dem Sofa sprang, auf dem er sich in ihrer Gegenwart nicht erwischen lassen durfte, dann das leise Ratschen seiner Krallen auf dem Parkett, wo er bei seinem Ansturm jedes Mal den Orientteppich verrutschte, und schließlich der freudig erregte Sprint zur Eingangsdiele. Sie kannte die stürmische Begrüßung gut genug, um vorsorglich Zeitungen und Einkäufe abzustellen.
    Was sonst ist so vorbehaltlos gefühlvoll wie die stürmische Begrüßung eines Hundes?, musste Hope unwillkürlich denken. Sie kniete sich hin und ließ sich von ihm das Gesicht abschlecken, während er mit dem Schwanz gegen die Wand trommelte. Und wenn die Welt untergeht, dachte sie, so weiß doch jeder Besitzer eines Hundes, dass der vor Glück wedeln wird, sobald man zur Tür hereinkommt. Ihrer war von seltsam gemischter Abstammung. Ein Tierarzt hatte gemeint, er sei der offensichtlich illegitime Spross eines Pitbulls und eines Golden Retrievers, was das eher kurze, blonde Fell zu der stupsigenSchnauze erklären würde, außerdem die unerschütterliche Treue ohne die hinterhältige Aggressivität und eine Intelligenz, die selbst sie zuweilen überraschte. Sie hatte ihn aus einem Tierheim geholt, wohin man ihn bereits als Welpen abgeschoben hatte, und als sie den Leiter nach seinem Namen fragte, erklärte der ihr nur, der Kleine sei sozusagen noch nicht getauft. So hatte sie ihn in einem Anfall übermütiger Kreativität
Nameless
genannt.
    Als er noch jung war, hatte sie ihm beigebracht, am Ende einer Trainingseinheit aus der Schusslinie geratene Fußbälle zu apportieren, was bei den Mädchen unfehlbar für Heiterkeit sorgte, egal welche Mannschaft sie gerade trainierte. Nameless wartete dann geduldig und mit einem albernen Grinsen im Gesicht an der Bank, bis sie ihm Handzeichen gab. Dann flitzte er quer übers Feld, trieb jeden Ball einzeln auf, indem er ihn temporeich mit Schnauze und Vorderpfoten vor sich her rollte und zu ihr brachte, damit sie ihn in das große Netz stecken konnte. Sie erklärte den Mädchen, wenn sie lernten, so schnell wie Nameless zu sein, ohne den Ball zu verlieren, dann würden sie alle in der ersten Liga spielen.
    Dafür war er inzwischen viel zu alt, er sah und hörte auch nicht mehr so gut und litt an einer milden Form von Arthritis. Ein Dutzend Bälle einzusammeln überstieg vermutlich seine Kräfte, und so kam er seltener zum Training mit. Sie mochte nicht an sein Ende denken; sie hatte ihn schon so lange, wie sie mit Sally Freeman zusammen war.
    Sie musste oft denken, dass ohne den Welpen Nameless ihre Partnerschaft mit Sally vielleicht in die Brüche gegangen wäre. Der Hund hatte Ashley und sie gezwungen, sich irgendwie zu arrangieren. Für Hunde war so etwas offensichtlich ein Kinderspiel. Als Sally kurz nach der Scheidung bei ihr einzog, hatte die schmollende Ashley sie mit der ganzen Nichtachtunggestraft, zu der eine Siebenjährige fähig war. Nameless hatte die Wut und die verletzten Gefühle des Mädchens schlichtweg ignoriert

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