Das Opfer
Ärger in ihrem Leben sorgen würden.
Die erste bestand in einem anonymen Hinweis ans Finanzamt, demzufolge Sally ihre Klienten aufforderte, ihre Honorare teils per Scheck, teils bar zu zahlen. Nichts, davon ging O’Connell aus, hassten die Steuerbeamten mehr als Leute, die versuchten, große Batzen von ihrem Einkommen zu verbergen. Sie würden mit Skepsis reagieren, wenn sie es leugnete, und gnadenlos über ihre Buchhaltung herfallen.
Bei dem Gedanken musste er laut lachen.
Der zweite Frontalangriff war ein ebenso anonymer Hin weis an die Zweigstelle der bundesweiten Drogenfahndungsbehörde, demzufolge Catherine auf ihrer Farm angeblich große Mengen Marihuana anbaute, und zwar in ihrem Gewächshaus im Innern ihrer Scheune.
Er hoffte, dass der Tipp für einen Durchsuchungsbefehl reichte. Und selbst wenn die Suche nichts ergab – was außer Zweifel stand –, so hoffte er, dass das gemeine Fußvolk der Behördeaus ihren ach so kostbaren Antiquitäten und Erinnerungsstücken Kleinholz machen würde.
Der dritte Coup war eine hübsche Überraschung für Scott. Er hatte sich als
Histprof
eingeloggt und im Internet gesurft. Dabei war er auf eine dänische Website mit der übelsten Sorte von Pornografie gestoßen, auf der vorrangig Kinder und Minderjährige in allen möglichen aufreizenden Posen zu sehen waren. Der nächste Schritt bestand einfach darin, sich eine gefälschte Kreditkarte zu besorgen und ausgewähltes Bildmaterial an Scotts Privatadresse schicken zu lassen. Es wäre relativ einfach, anschließend die örtliche Polizeidienststelle auf die Sendung aufmerksam zu machen. Wahrscheinlich würde das nicht einmal nötig sein. Vielmehr würde das amerikanische Zollamt, das sich um solche Importe kümmerte, bei der Polizei Meldung machen.
Wenn er sich vorstellte, wie sich Ashleys Familie angesichts der bürokratischen Schikanen, denen sie sich plötzlich ausgesetzt sah, alle möglichen Erklärungen aus den Rippen saugte oder in einem fensterlosen Raum einem Drogen- beziehungsweise Steuerfahnder oder Polizisten gegenübersaß, der für diese satte Wohlstandsbürger-Klientel nur Verachtung übrighatte, konnte er nur lachen.
Vielleicht würden sie versuchen, es ihm anzulasten, doch das wagte er zu bezweifeln. Andererseits konnte er sich nicht sicher sein, und das hielt ihn zurück. Er wusste, dass er eine elektronische Spur hinterlassen würde, die bis zu seinem Computer zurückzuverfolgen war, sobald er zu den drei Einträgen die entsprechenden Tasten drückte. Vielleicht wäre es besser, überlegte er, bei nächster Gelegenheit in Scotts Haus einzubrechen, während er unterrichtete, und die Bestellung in Dänemark auf Scotts Computer abzuschicken. Bei den anderen anonymen Hinweisen war es genauso entscheidend, einenelektronischen Pfad zu wählen, der nicht zu ihm führte. Er seufzte. Das bedeutete, dass er ins südliche Vermont und ins westliche Massachusetts reisen musste. Sich jeweils eine virtuelle Identität zu erfinden war kein Problem. Und er konnte die Tipps aus Internet-Cafés oder aus Stadtbibliotheken versenden.
Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und lachte wieder laut auf.
Einmal mehr fragte sich Michael O’Connell, wie sie sich nur einbilden konnten, es mit ihm aufzunehmen.
Während er grinsend dasaß und in Gedanken an diesen unangenehmen Überraschungen für Ashleys Familie feilte, klingelte das Handy auf seinem Schreibtisch.
Das kam überraschend. Er hatte keine Freunde, die ihn anrufen würden. Seinen Job in der Autowerkstatt hatte er geschmissen, und an dem College, an dem er den einen oder anderen Kurs belegte, hatte niemand seine Nummer.
Er überprüfte die Anruferkennung auf seinem Display. Der Name, den er sah, verschlug ihm den Atem: Ashley.
Bevor sie mir den Namen des Polizeibeamten gab, musste ich ihr versprechen, mir gut zu überlegen, was ich sagte.
»Sie werden keine unbedachte Bemerkung fallenlassen«, hatte sie mir eingeschärft. »Sie werden nichts erwähnen, was ihn provoziert. Entweder Sie versprechen mir das oder Sie vergessen das Ganze und erhalten den Namen nicht.«
»Ich werde vorsichtig sein, versprochen.«
Als ich dann in der Polizeistation auf einem abgewetzten Sofa saß, war ich mir hinsichtlich meiner Fähigkeiten weniger sicher. Rechts von mir öffnete sich eine Tür, und ein Mann etwa in meinem Alter,mit graumeliertem Haar und einer grellrosa Krawatte sowie einem beachtlichen Bauch erschien und reichte mir mit einem lockeren, schiefen Grinsen
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