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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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die Hand. Wir machten uns miteinander bekannt, und er bot mir einen Stuhl vor seinem Schreibtisch an.
    »Also, wie kann ich Ihnen helfen?«
    Ich nannte ihm noch einmal den Namen, den ich zuvor am Telefon erwähnt hatte. Er nickte.
    »In dieser Gegend haben wir nicht alle Tage einen Mord, und bei den wenigen, die wir doch reinbekommen, ist es meist die übliche Geschichte Freund-Freundin, Ehemann-Frau. Das hier fiel ein bisschen aus dem Rahmen. Ich versteh nur noch nicht, wieso Sie sich dafür interessieren.«
    »Ein paar Leute, die ich kenne, haben mir vorgeschlagen, mir den Fall ein bisschen näher anzusehen. Der richtige Stoff für eine gute Geschichte.«
    Der Kommissar zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht. So viel allerdings kann ich sagen: Der Tatort war ein übler Anblick, das wahre Chaos. War schwierig, überhaupt da durchzukommen. Wir sind hier nicht das Morddezernat von Hollywood.« Mit einer ausladenden Geste wies er auf den Raum. Es war ein bescheidenes Ambiente, in dem nicht nur jedes Utensil, sondern auch die Männer und Frauen an ihrem Arbeitsplatz deutliche Spuren des Alters aufwiesen. »Man mag uns ja alle für Dumpfbacken halten, aber am Ende hatten wir unser Puzzle zusammen.«
    »Ich halte Sie nicht dafür«, erklärte ich, »für Dumpfbacken, meine ich.«
    »Nun ja, da bilden Sie eher die Ausnahme von der Regel. Meistens kapieren die Leute das erst, wenn sie uns in Handschellen gegenübersitzen, wir sie uns zur Brust genommen haben und sie mit ein paar Jährchen Knast rechnen müssen.«
    Er schwieg und sah mich eindringlich an. »Sie arbeiten nicht füreinen Anwalt, oder? So’n Typ, der krampfhaft nach Verfahrensfehlern sucht, die er rausposaunen kann, um ein Berufungsverfahren anzustrengen?«
    »Nein, wie gesagt, ich bin nur auf der Suche nach einer Geschichte.«
    Er nickte, doch ich war mir nicht hundertprozentig sicher, ob er mir glaubte.
    »Nun ja«, sagte der Kommissar gedehnt, »ob Sie da fündig werden? Mag sein, auf jeden Fall ist sie nicht neu, diese Geschichte. Na schön, fangen wir an.«
    Er bückte sich und zog aus einem Schreibtischfach eine große Fächermappe, die er vor mir öffnete. Sie enthielt einen Stapel Hochglanzfotos, zwanzig mal fünfundzwanzig, die er auf dem ganzen Papierkram ausbreitete. Ich beugte mich vor. Auf sämtlichen Bildern war eine wahre Müllhalde zu sehen. Und eine Leiche.
    »Wie gesagt«, kommentierte er, »das reine Chaos.«

42
Die Pistole im Schuh
     
    Etwa zur gleichen Zeit, als Catherine und Ashley um den Block liefen und sich fragten, wo Michael O’Connell war, parkte Scott am dicht bewaldeten hinteren Rand eines Rastplatzes an der Route zwei. Dieser Platz besaß den Vorzug, dass er von der Autobahn aus fast vollständig hinter Bäumen versteckt lag. Das war auch einer der Gründe, weshalb sie auf der Route zwei nach Boston gefahren waren. Sie war nicht so schnell wie die Mautstraße, dafür gab es weniger Verkehrspolizei und weniger Verkehr. Er saß allein in seinem klapprigen Pick-up, während sein alter Porsche daheim in seiner Einfahrt stand.
    Scott hörte, wie flach er atmete, und sagte sich, dass er verrückt sein musste. Wie nervös er in diesem Moment auch war, so wusste er sehr wohl, dass es nur noch viel schlimmer werden konnte. Wenig später wurde seine Geduld belohnt, als er einen neueren, weißen Ford Taurus auf den Rastplatz abbiegen sah. Er hielt etwa sechs, sieben Meter weiter. Er erkannte Hope hinter dem Lenkrad.
    Er griff nach einem kleinen, billigen, roten Sportbeutel, der neben seinen Beinen stand und schepperte, als er ihn hochnahm. Er stieg aus und lief zügig zum Ford hinüber.
    Hope kurbelte das Fenster herunter.
    »Pass auf«, sagte Scott knapp. »Sobald du einen Wagen kommen siehst, gib mir Zeichen.«
    Sie nickte. »Wo hast du …«
    »Letzte Nacht. Nach Mitternacht. Bin ins Parkhaus für Langzeitparker am Flughafen Hartford runter.«
    »Umsichtig. Aber haben sie da keine Überwachungskameras?«
    »Ich bin zu den Plätzen mit Satellitenüberwachung. Keine Bilder. Ich brauch nicht lange. Ist das ein Leihwagen?«
    »Ja«, bestätigte sie. »Das schien mir das Vernünftigste zu sein.«
    Scott öffnete den Beutel und ging zum Heck des Fahrzeugs. Es dauerte nur wenige Minuten, bis er die Nummernschilder mit Kennzeichen von Massachusetts gegen die mitgebrachten aus Rhode Island ausgetauscht hatte, die er die Nacht zuvor von einem Wagen abgeschraubt hatte. In der Tasche befanden sich auch ein kleiner Steckschlüssel und eine

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