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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Michael. Nicht deiner Wohnung, sondern deinem Elternhaus. Ich bin auf dem Weg zu deinem Vater«, log Ashley so kalt, wie sie konnte, indem sie nach jedem Wort eine Pause einlegte. »Er kann mir helfen.« Dann legte sie auf. Als das Telefon binnen Sekunden klingelte, ignorierte sie es.
     
    Sally sah auf. Es durchzuckte sie wie ein elektrischer Schlag, als sie sah, wie Michael O’Connell aus seinem Gebäude stürmte. Er stieß mit den Armen in seine Winterjacke, während er die Treppe in einem einzigen Satz hinuntersprang und die Straße weiterrannte.
    Als sie O’Connell in seinen Wagen steigen und mit quietschenden Reifen losfahren sah, stellte sie ihre Stoppuhr ein.
    Sie nahm ihr Handy und drückte die Kurzwahltaste.
    Als sich Scott meldete, antwortete sie: »Er ist jetzt unterwegs.« Dann legte sie auf.
    Scott würde jetzt ebenfalls die Zeit stoppen. Viel hatten sie nicht. Sally schnappte sich eine Schultertasche mit verschiedenen wichtigen Gegenständen und stieg augenblicklich aus dem Wagen, überquerte die Straße und stand vor der Tür zu O’Connells Haus. Sie hielt den Kopf gesenkt und zog sich eine Skimütze, so tief sie konnte, ins Gesicht. Sie trug Kleider von der Heilsarmee: Jeans, abgetragene Turnschuhe und einen Herren-Kolani. Über einem Paar hautengen Latexhandschuhen trug sie ein Paar aus Leder.
    Sie redete sich gut zu, dass die Waffe da sein würde.
    Sie hatten keinen Plan B. Sie hatten sich nur darauf verständigt, dass sie das Ganze abblasen und nach West-Massachusetts zurückkehren würden, um sich etwas Neues auszudenken. Sie hielt es für denkbar, dass O’Connell die Pistole auf dem Weg zu seinem Vater mitgenommen hatte.
    Seine plötzliche Wut war eine der Unwägbarkeiten, die sie nicht hatte vorhersehen können. Sie hoffte fast, dass er sie mitgenommen hatte. Vielleicht würde er in der Form Gebrauch davon machen, wie sie es ihm anlasten wollten, vielleicht würde er den Fehler begehen, der mit einem Schlag ihr Problem aus der Welt schaffte.
    Oder aber er hatte die Waffe dabei und richtete sie auf einen von ihnen.
    Oder er hatte die Waffe dabei und richtete sie auf Ashley.
    Falls das hier danebenging, hatten sie keinen anderen Plan, als panikartig die Flucht zu ergreifen.
    Sally nahm denselben Weg wie Hope nur wenige Tage zuvor.Binnen Sekunden stand sie vor der Wohnung. Sie war allein, den Schlüssel in der Hand.
    Keine Nachbarn. Die einzigen Augen, die ihr folgten, waren die der miauenden Katzen im Flur. Hat er heute schon eine von euch getötet?, fragte sie stumm. Sie steckte den Schlüssel ein und öffnete die Tür, so leise sie konnte.
    Sally schärfte sich ein, sich nicht erst umzusehen. Nicht erst die Welt, in der Michael O’Connell lebte, in Augenschein zu nehmen, denn sie wusste, dass sie das nur mit Panik erfüllen würde. Außerdem war zügiges Handeln bei ihrem Plan von entscheidender Bedeutung. Schnapp dir die Pistole! Sofort.
    Sie fand den Kleiderschrank. Sie fand die Ecke. Sie fand den Stiefel, in den eine schmutzige Socke gestopft war.
    »Sei da«, flüsterte sie tonlos.
    Sie zog den Strumpf heraus und merkte sich dabei, wie er im Stiefel gesteckt hatte.
    Als ihre Finger auf den Stahl des Laufs stießen, entfuhr ihr ein lauter Seufzer.
    Vorsichtig holte sie die Waffe heraus.
    Einen Moment lang zögerte sie. Da wären wir. Bring’s hinter dich oder kneife – beides versetzte sie in panische Angst.
    Als ob jemand anders ihrer Hand Befehle erteilte, steckte sie die Waffe sorgsam in einen großen Plastikbeutel in ihrem Rucksack. Den Strumpf ließ sie auf dem Boden liegen.
    Es gab noch etwas zu tun. Eilig lief sie in das kleine Wohnzimmer und starrte auf den schäbigen Schreibtisch, auf dem Michael O’Connell seinen Laptop angeschlossen hatte. Von diesem Platz aus, dachte sie, hatte er ihnen allen eine Menge Ärger bereitet, und jetzt war es an der Zeit, es ihm heimzuzahlen. Trotz ihrer Angst verschaffte ihr dieser nächste Schritt eine gehässige Befriedigung. Sie zog das baugleiche Gerät aus ihrem Rucksack und wechselte seinen Computer gegen den neuenaus, den sie präpariert hatte. Auch wenn er den Unterschied vielleicht nicht sofort erkennen würde, musste es ihm früher oder später dämmern. Bei diesem Streich war sie mit sich zufrieden. Tags zuvor hatte sie Stunden damit zugebracht, eine bunte Vielfalt an pornografischem Material sowie extrem rechtslastige, staatsfeindliche Websites herunterzuladen, so dass auf der Festplatte so viel zornige, satanistisch inspirierte,

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