Das Opfer
sitzen, warf jedoch schon mal den Motor an.
»Du kommst spät«, stellte sie fest. »Ich weiß nicht, ob mir genug Zeit bleibt. Ist es nach Plan verlaufen?«
»Nicht ganz«, antwortete Scott. »Es war nicht so einfach, wie wir dachten.«
»Was soll das heißen?«, fragte Sally in ihrem barschen Anwaltston.
»Es hat einen kleinen Kampf gegeben. Hope hat gesiegt, sie hat getan, was sie übernommen hatte.« Er zögerte. »Aber sie hat sich bei dem Handgemenge wohl leicht verletzt. Sie ist jetzt auf dem Weg nach Hause. Und ich hatte Angst, dass etwas zurückbleiben könnte, was sie verraten könnte, und so hab ich ein Feuer gelegt.«
»Mein Gott!«, rief Sally, »das stand nicht im Plan.«
»Ich habe mir nur wegen des Tatorts Gedanken gemacht, das weißt du. Ich dachte, auf diese Weise könnten wir am wirkungsvollsten verhindern, dass irgendein Cop sich denken kann, was stattgefunden hat. Hast du das nicht immer betont?«
Sally nickte. »Ja, ja, schon gut. Ist wahrscheinlich kein Problem.«
»Im Rucksack findest du neben dem anderen Gegenstand auch noch ein Geschirrtuch. Etwas von dem Benzin kommt auf diese Weise an den Lauf. Werde es hinterher irgendwo los.« Sally nickte wieder. »Das war clever. Aber, Hope, was hast du noch wegen Hope gesagt?«
Scott fragte sich, ob ihm die Lüge ins Gesicht geschrieben stand. »Sie dürfte jetzt wieder in der Zeit liegen. Tu, was du tun musst, und rufe sie später an.«
»Was genau ist mit Hope passiert?«, hakte Sally in scharfem Ton nach.
»Du musst endlich los. Du musst nach Boston. Die Zeit drängt. Wir haben keine Ahnung, was O’Connell macht.«
»Was ist mit Hope passiert?«, wiederholte Sally mühsam beherrscht.
»Wie gesagt, es hat einen Kampf gegeben. Sie hat einen Messerstich abbekommen. Als wir uns getrennt haben, hat sie dir ausrichten lassen, sie kommt schon klar. Verstehst du? Genau das hat sie gesagt. Sag Sally, ich komm schon klar. Du musst die Sache heute Nacht zu Ende bringen. Hope hat ihren Teil getan. Ich meinen. Jetzt bist du dran. Nur noch das, und dann …« Er sprach den Satz nicht zu Ende.
Sally schwieg einen Moment. »Einen Messerstich abbekommen? Was soll das heißen? Sag mir die Wahrheit!«
»Das ist die Wahrheit«, erwiderte Scott steif. »Sie hat einen Stich abbekommen, das ist alles, und jetzt fahr.«
Sally fielen in diesem Moment hundert verschiedene Antworten ein, die sie ihrem Exmann hätte geben können, doch sie schwieg. So wütend sie war, sie wusste doch, dass sie vor Jahren ihn belogen hatte so wie er jetzt sie, und sie konnte absolut nichts daran ändern. Sie nickte, weil sie ihrer Stimme nicht mehr traute, nahm den Rucksack und fuhr in die Nacht. Wieder blieb Scott zurück und starrte auf Rücklichter, die in der Dunkelheit verschwanden.
»Wie gesagt«, fuhr der Kommissar fort, während er auf die Tatortfotos wies, »die Flammen haben tatsächlich alles verdorben. Noch schlimmer als das Feuer ist das verdammte Wasser, das die Feuerwehr drübergießt. Natürlich kann man sie nicht dran hindern«, bemerkte er mit einem trockenen Lachen. »Wir konnten von Glück sagen, dass nicht das ganze Haus in Flammen aufgegangen ist. Der Brand blieb mehr oder weniger auf die Küche beschränkt. Sehen Sie die Rückwand da, völlig verkohlt? Der Brandexperte sagt, dass derjenige, der ihn gelegt hat, keine Ahnung davon hatte, so dass der Brand sich nicht über den ganzen Raum ausgebreitet, sondern die Wand hoch in die Decke gefressen hat, und so hat es der Nachbar gegenüber bemerkt. Alles in allem können wir uns also glücklich schätzen, dass wir uns am Ende ein Bild machen konnten.«
»Hatten Sie bis dahin schon viele Morde aufzuklären?«, fragte ich. »Hier? Wir sind hier nicht in Boston oder New York. Wir sind ein recht kleines Dezernat. Aber das Institut für Forensik ist ziemlich gut, und bei der Gerichtsmedizin arbeiten auch nicht lauter Trottel, deshalb kriegen wir einen Mord, wenn es denn schon mal dazu kommt, ganz gut in den Griff. Die meisten Morde, die wir zu Gesicht bekommen, sind häusliche Streitigkeiten, die außer Kontrollegeraten, oder auch schiefgegangene Drogendeals. Meistens steht der Böse noch dumm rum oder sein Kumpel, der uns sagen kann, nach wem wir zu suchen haben.«
»Das war hier anders, oder?«
»Können Sie laut sagen. Es gab Fragen, bei denen wir uns erst mal am Kopf gekratzt haben. Und es gab ’ne ganze Menge Leute, die keine Träne vergossen haben, als sie hörten, der alte O’Connell hätte
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