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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Produzenten, Redakteuren, Königen und Premierministern entgegennahm und Studenten aus dem Vorzimmer scheuchte. »Ja, mir geht’s gut, trotz der äußerst bedrohlichen Aussicht, dass unser Football-Team möglicherweise ein paar Spiele an die Achse des Bösen, von Princeton bis Harvard, verliert, was dieses Jahr tatsächlich passieren könnte.«
    »Vielleicht reichen die Aufnahmegebühren für einen besseren Quarterback im nächsten Jahr?«
    »Steht zu hoffen. Aber, ähm, Scott, das ist nicht der Grund meines Anrufs.«
    »Hatte ich auch nicht angenommen. Was kann ich für Sie tun, Professor?«
    »Erinnern Sie sich an einen Beitrag, den Sie vor etwa drei Jahren für unser
Journal of American History
geschrieben haben? Es ging darin um Truppenbewegungen unmittelbar nach den Schlachten von Trenton und Princeton, als Washington so viele maßgebliche, und ich wage zu sagen, vorausschauende Entscheidungen traf?«
    »Sicher, Professor.« Scott veröffentlichte nicht gerade viel, doch dieser Artikel hatte erheblich zu der Entscheidung seines eigenen Instituts beigetragen, das Programm der Hauptveranstaltungen in amerikanischer Geschichte nicht herunterzufahren.
    »Das war eine gute Arbeit, Scott«, sagte Burris gedehnt. »Anschaulich und provokant.«
    »Danke. Aber ich sehe immer noch nicht …«
    »Bei der Arbeit an dem Aufsatz, bei der Formulierung Ihrer Thesen, äh, haben Sie da auf Hilfe von anderer Seite zurückgegriffen?«
    »Ich weiß nicht, ob ich Sie richtig verstanden habe, Professor.«
    »Der Aufsatz, haben Sie den völlig allein verfasst? Und die Forschungsergebnisse, die stammten auch von Ihnen?«
    »Ja. Ich hatte ein, zwei studentische Hilfskräfte, fortgeschrittene Semester, die mir mit ein paar Zitaten geholfen haben. Aber ansonsten habe ich ihn allein verfasst, einschließlich der Thesen.«
    »Es steht eine höchst unglückliche Anschuldigung im Raum, was diesen Aufsatz betrifft.«
    »Eine Anschuldigung?«
    »Ja. Der Vorwurf akademischer Unredlichkeit.«
    »Wie bitte?«
    »Geistiger Diebstahl, Scott. Tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen.«
    »Aber das ist absurd!«
    »Die Beschwerde, die uns vorliegt, führt ein paar missliche Übereinstimmungen zwischen Ihrer Arbeit und einer Arbeit an, die an einem anderen Institut eingereicht wurde.«
    Scott holte tief Luft. Ihm wurde augenblicklich schwindelig, und er griff nach der Schreibtischkante, um Halt zu finden.
    »Von wem kommt dieser Vorwurf?«, fragte er.
    »Da liegt eben das Problem«, antwortete Burris. »Ich habe sie auf elektronischem Wege erhalten, und sie war anonym.«
    »Anonym!«
    »Aber unabhängig von der Urheberschaft können wir sie nicht ignorieren. Schon gar nicht unter den Augen der Öffentlichkeit. Die Presse fällt gerne über Fehltritte im Universitätsbetrieb her. Ist schnell mit Verurteilungen bei der Hand, die zugroßen Peinlichkeiten führen und unabsehbaren Schaden anrichten können. Deshalb scheint es mir das Beste zu sein, diese Anschuldigung im Keim zu ersticken. Vorausgesetzt natürlich, Sie können Ihre handschriftlichen Notizen finden und Zeile für Zeile, Kapitel für Kapitel den genauen Wortlaut nach weisen und das
Journal
davon überzeugen, dass die Anschuldigungen haltlos sind.«
    »Natürlich, aber …« Scott begann zu stottern. Er fand keine Worte.
    »In dieser Zeit grassierender Besserwisserei, in der alles unter die Lupe genommen wird, muss man tugendsamer sein als Lots Weib, so ist das leider heutzutage.«
    »Ich weiß, aber …«, stammelte Scott erneut.
    »Ich werde Ihnen sofort per Eilzustellung die Beschuldigung im Wortlaut schicken. Und dann werden wir uns wohl noch einmal unterhalten müssen.«
    »Ja. Ja, selbstverständlich.«
    »Ach und, Scott«, fügte der Professor in einem ungerührten, unvermittelt kalten, kraftlosen Ton hinzu, »ich hoffe sehr, dass wir das unter uns klären können. Aber bitte unterschätzen Sie nicht, wie gefährlich das für Sie werden kann. Ich sage Ihnen das als Freund und als Historikerkollege. Ich habe schon vielversprechende Karrieren aus viel geringerem Anlass zusammenbrechen sehen. Viel geringerem Anlass.« Der Nachdruck auf den letzten Worten war überflüssig, doch was er sagte, war nur allzu wahr.
    Scott nickte. »Freund« war ein Wort, das er selbst nicht in den Mund genommen hätte, denn falls dieser Vorwurf in Akademikerkreisen die Runde machte, dann hatte er die längste Zeit Freunde gehabt.
    Sally starrte aus dem Fenster in das schwindende Licht des

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