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Das Opfer

Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vadim Panov
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herausbekommen? Verfügte er womöglich doch über magische Talente? Sah er die Zukunft klarer als der Kriegskommandeur?
    Trotz aller Bemühungen konnte Bogdan le Sta immer noch nicht mit Sicherheit voraussagen, wie sein Vorhaben ausgehen würde.
    Moskauer Polizeipräsidium
Moskau, Petrowka-Straße
Samstag, 16. September, 12:28 Uhr
     
     
    Im Polizeidienst stand der Sergeant Nikolaj Jerschow seit fünfundzwanzig Jahren, von denen er zwanzig als einfacher Streifenbeamter auf den unruhigen Moskauer Straßen zugebracht hatte. Es war eine ereignisreiche Zeit gewesen: Er hatte viel Blut gesehen, verirrte Kinder nach Hause gebracht und 1993 am Fernsehzentrum in Ostankino um sein Leben gebangt.
    Vor zwei Jahren war er in den Wachdienst versetzt worden und saß nun die Zeit bis zur Pensionierung in der Asservatenkammer des Polizeipräsidiums ab. Nach den vielen aufreibenden Jahren im Streifendienst behagte ihm diese Arbeit. Sie war völlig ungefährlich, und man machte sich die Uniform nicht schmutzig. Er musste ein bisschen für Ordnung sorgen und ab und zu Beweismittel ausgeben an Kollegen, die er meist ohnehin kannte. In der übrigen Zeit saß er hinter dem Ausgabeschalter und vertrieb sich die Zeit mit Kreuzworträtseln.
    Vor einigen Monaten allerdings war es zu einem handfesten Eklat gekommen, als kistenweise Beweismittel aus der Asservatenkammer verschwanden. Zum Glück für Jerschow hatte sich der peinliche Vorfall nicht während seiner Dienstschicht ereignet. Stattdessen erwischte es den Kollegen Sidorow, der sich kurz vor der Pensionierung ein Disziplinarverfahren einhandelte.
    »Veraltetes Wort für Giraffe« – zehn Buchstaben. Nachdenklich kratzte sich Jerschow mit dem Kugelschreiber an der Nase. Lexikalische Fragen waren nicht gerade seine Stärke.
    »Kamelopard.«
    Der Sergeant fiel vor Schreck beinahe vom Stuhl. Hinter dem Ausgabeschalter standen zwei Männer, die er nicht kannte. Ein großer Semmelblonder – Typ Wikinger – mit grünen, etwas trüb wirkenden Augen und ein Schwarzhaariger – Typ Kaukasier – in einer kurzen Lederjacke.
    »Das andere Wort für Giraffe lautet Kamelopard«, wiederholte der Schwarzhaarige. »Das weiß ich hundertprozentig. «
    Jerschow hatte die Fragestellung offenbar laut vor sich hingemurmelt.
    »Sie wollen in die Asservatenkammer?«
    Der Wikinger beugte sich über den Schalter und wedelte mit einer Dienstmarke.
    »Abteilung für interne Sicherheit. Wir müssen hier einige Beweismittel überprüfen. Öffnen Sie bitte die Tür.«
    Wie alle gewöhnlichen Polizisten mochte Jerschow die »Schnüffler« nicht, deren Aufgabe hauptsächlich darin bestand, die Verfehlungen ihrer eigenen Kollegen aufzudecken. Er prüfte die Dienstmarke des Wikingers und machte ein mürrisches Gesicht.
    »Haben Sie eine Dienstanweisung?«
    »Heute sind wir aber streng«, spöttelte der Schwarzhaarige augenzwinkernd und zog ein zerknittertes Papier aus der Brusttasche seiner Lederjacke. »Bitte schön.«
    Nachdem Jerschow die Dienstanweisung kontrolliert hatte, ließ er die Schnüffler in die Asservatenkammer ein und begleitete sie vorschriftsgemäß.
    »Was wollen Sie sehen?«
    »Die Pistolen, die aus Marjino gebracht wurden.«
    Vor drei Tagen hatte ein Spezialeinsatzkommando ein großes Waffenlager ausgehoben. Neben mehreren Kisten mit fabrikneuen Waffen fand man auch eine mit Pistolen, die offensichtlich bereits in Gebrauch gewesen waren. Sie sollten im Labor untersucht werden.
    »Sie sind dort drüben.«
    Jerschow führte die Schnüffler in den hintersten Winkel des Lagers, wo die Pistolen ihres Schicksals harrten. Der Semmelblonde zog sich dünne Gummihandschuhe an, nahm eine der Waffen aus der Kiste und begann sie zu inspizieren. Sein schwarzhaariger Begleiter lehnte sich indessen an die Wand und schien einzudösen.
    »Stimmt irgendwas nicht mit den Knarren?«, erkundigte sich Jerschow bei dem Kaukasier. Kontrolleure aus der Abteilung für interne Sicherheit bekam er nicht alle Tage zu Gesicht. »Wonach suchen Sie denn?«
    »Stören Sie uns bitte nicht bei der Arbeit«, bat der Wikinger verbindlich und sah Jerschow mit seinen trüben grünen Augen genervt an. »Wir haben wenig Zeit.«
    »Ich frage ja nur …«
    Der Sergeant lehnte sich beleidigt neben dem Schwarzhaarigen an die Wand und sah dabei zu, wie der Blonde die Seriennummern der Pistolen in sein Notizbuch schrieb.
    Als der dicke Wachbeamte seinen leblos an der Wand lehnenden Doppelgänger ansprach, blieb Yussur stehen und blickte sich

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