Das Opfer
»Was hat Santiago damit zu tun?«
»Wahrscheinlich versucht er, den Vollzug des Arkans zu verhindern. Bogdan hat Theodor le Mans mitgeteilt, dass der Kommissar ihn verfolgt, und …«
»Und die Usurpatoren sind ihm brav zu Hilfe geeilt«, setzte de Saint-Carré für seinen Kriegsmeister fort.
Franz presste die Lippen zusammen und rang armrudernd um Worte.
»Warum hat uns Santiago nicht darauf aufmerksam gemacht, dass ein Magier des Ordens ein verbotenes Arkan wirkt?«, fragte der Großmagister.
»Vielleicht hat er überhaupt kein Interesse daran, dass wir dem Kriegskommandeur Einhalt gebieten?«
Der Großmagister zog nachdenklich die Brauen hoch und bedachte de Geer mit einem flüchtigen Blick.
»Woher weiß Bogdan, wie das Traumarkan funktioniert? «
»Keine Ahnung.«
»Hast du mit dem Bibliotheksmeister gesprochen?«
»Das war das Erste, was ich gemacht habe, nachdem ich von der unangenehmen Sache erfahren hatte. Wir haben gemeinsam den geschlossenen Teil der Bibliothek kontrolliert. Alle Siegel sind unversehrt. Das Buch der verbotenen Zauber wurde seit zweihundert Jahren nicht mehr geöffnet.«
»Dann lass Bogdans Wohnung durchsuchen, sein Büro in der Burg und sein Landhaus«, verfügte de Saint-Carré. »Wir müssen unbedingt herausbekommen, woher er die Informationen über das verbotene Arkan hat, bevor uns die anderen Herrscherhäuser danach fragen.«
»Diese Maßnahmen habe ich bereits in die Wege geleitet. «
»Sprich mit allen, die in letzter Zeit Kontakt zu Bogdan hatten. Ich will wissen, warum er diese irrsinnige Aktion angezettelt hat. Worüber war er unzufrieden? Woran hat es ihm gefehlt? Was hat den Kriegskommandeur dazu veranlasst, sich auf ein so schweres Verbrechen einzulassen?«
»Ich bin sicher, dass er einen triftigen Grund dazu hatte«, sagte Franz im Brustton der Überzeugung und schaute dem Großmagister dabei zum ersten Mal direkt in die Augen. »Der Kriegskommandeur le Sta ist hundertprozentig loyal.«
»Das ist mir schon klar«, erwiderte der alte Mann mit derselben Bestimmtheit wie de Geer. »Deshalb lasse ich Bogdan auch nicht töten, sondern versuche herauszufinden, was ihn umtreibt.«
»Werden wir also einfach abwarten?«
»Wieso, was schlägst du denn vor?«
»Mein Gebieter, ähm … Bogdan … Er …« Franz schluckte und überwand sich: »Könnten wir ihm nicht helfen?«
»Das haben doch schon die Usurpatoren versucht.«
»Ich spreche natürlich von einer wirklichen Hilfe. Meine Wenigkeit und die anderen Kriegskommandeure könnten ihm doch gegen Santiago beistehen.«
Leornard de Saint-Carré schüttelte den Kopf: »Wenn wir Bogdan unterstützen und er das verbotene Arkan vollendet, werden die anderen Herrscherhäuser einen Prozess gegen ihn fordern.«
»Und seinen Tod.«
»Das ist nun mal die Strafe, die in der Konvention von Kitai-Gorod vorgesehen ist«, konstatierte der Großmagister. »Wir würden natürlich Protest einlegen und die Ermittlungen verschleppen. Wahrscheinlich gelänge es uns sogar durchzusetzen, dass die Todesstrafe für Bogdan in eine mildere Strafe umgewandelt wird, zum Beispiel in ein zehnjähriges Magieverbot.«
»Demnach könnten wir Bogdan also retten, wenn er den verbotenen Zauber vollendet?«
»Möglicherweise.«
»Und jetzt?«
»Was jetzt?«
»Könnten wir ihm nicht auch jetzt helfen? Bogdan hat das verbotene Arkan doch noch gar nicht vollendet. Das bedeutet doch, dass Santiagos Intervention eine Aggression gegen den Orden darstellt! Niemand kann uns einen Strick daraus drehen, wenn …«
»Gefühle, mein lieber Franz«, versetzte der Großmagister mit Nachdruck, »sind ein miserabler Ratgeber, wenn es darum geht, kluge Entscheidungen zu treffen. Ich weiß, dass Bogdan dein bester Freund ist und du bereit wärest, für ihn durchs Feuer zu gehen. Doch wenn wir ihn jetzt verteidigen, wird man uns der Beihilfe zu einem Verbrechen bezichtigen. Ich habe nicht vor, wegen der Wahnsinnstat eines Kriegskommandeurs einen Krieg mit den anderen Herrscherhäusern zu riskieren.«
»Santiago wird sich nicht damit zufriedengeben, das Verbrechen zu verhindern«, orakelte de Geer finster. »Er wird die Situation ausnützen, um Bogdan zu töten.«
»Dann könnten wir eine Erklärung verlangen und unsererseits den Tod des Kommissars fordern, allerdings …«
»Dazu ist Santiago viel zu gerissen«, erriet Franz den Gedanken des Großmagisters. »Er wird uns keinen Anlass geben, ihn des Mordes an einem Kriegskommandeur zu
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