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Das Opfer

Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vadim Panov
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samtmatter Teint, hohe Stirn und riesige grüne Augen. Auch sie saß an einem schwarzen Schreibtisch und überflog die Unterlagen, die sie soeben aus einer Schublade hervorgeholt hatte.
    »Larissa Kusnezowa?«
    »Ja.«
    »Wir hätten eigentlich erst morgen mit dir gerechnet. «
    »Ich konnte nicht … ähm …« Larissa zog die Schultern hoch. »Ich hatte zufällig gerade Zeit. Da dachte ich mir: warum bis morgen warten?«
    »Eben.« Die Frau lächelte. »Ich heiße Slatka. Nimm Platz, Larissa.«
    Schüchtern setzte sich die junge Frau auf den Rand des mit grünem Leder bezogenen Stuhls. Holzverkleidung, Wandleuchter und sattgrüne Begonientriebe, die an den Wänden emporrankten, verliehen dem Büro eine fast wohnliche Atmosphäre.
    »Gedulde dich einen Moment, ich muss mir erst deine Unterlagen durchsehen.«
    »Selbstverständlich.«
    Slatka nahm einen Bogen Papier zur Hand. Die Empfehlung von Genbek Hamzi, einem der Oberhäupter des Geschlechts Schatyr: Kusnezowa Larissa, Humo, etwa zwanzig Jahre alt, bemerkenswerte magische Fähigkeiten, in die Existenz der Verborgenen Stadt nicht eingeweiht, beim Versuch rechtswidrigen Missbrauchs ihres Talents erwischt.
    Kriminelle Neigungen? Slatka warf einen prüfenden Blick auf die junge Frau: äußerlich ganz passabel, aber bei Humos musste man immer mit dem Schlimmsten rechnen. Woher hatte sie ihre Fähigkeiten? Eine Mutation oder ein Halbblut? Vermutlich Zweiteres. Die magischen Talente reinblütiger Humos waren in der Regel so kümmerlich ausgeprägt, dass es kaum der Mühe wert war, sich mit ihnen abzugeben.
    Slatka seufzte still in sich hinein. Ihre eigenen Fähigkeiten hatten gerade einmal ausgereicht, den Titel einer Fee zu erwerben und Rektorin einer Zweigstelle der Sonnensee-Schule zu werden. Gewiss, das war kein schlechter Posten, doch leider völlig perspektivlos. Sie wusste nur zu gut, dass man sie in den Schuldienst quasi abgeschoben hatte und ihre Karriere in der Sackgasse steckte.
    »Was kannst du?«
    »In welcher Hinsicht?«, fragte Larissa verlegen.
    Die Fee schmunzelte nachsichtig: »Genbek hat geschrieben, dass du über magische Fähigkeiten verfügst. Du hast aber niemals eine Ausbildung gemacht und keinerlei theoretische Grundkenntnisse. Deshalb muss ich mir einen Überblick verschaffen über das, was du dir selbst beigebracht hast.«
    »Ich …« Larissa wurde rot. »Ich habe versucht, Genbek zu bestehlen.«
    »Nur ihn?«
    »Nein. Ich habe das auch vorher schon mal gemacht. In einem Supermarkt.«
    »Hattest du kein Geld?«
    »Doch, aber …« Unter dem strengen Blick von Slatkas grünen Augen schämte sich die junge Frau fast genauso wie zuvor in Genbeks Laden. »Ich wusste einfach nicht, wie ich diese Fähigkeiten sonst einsetzen könnte.«
    »Siehst du jetzt ein, dass du verwerflich gehandelt hast?«
    Alle Humos sind im Grunde ihres Herzens Kriminelle, dachte Slatka, selbst wenn sie noch so jung sind wie diese Larissa.
    »Ich bereue, was ich getan habe«, sagte Larissa, doch insgeheim dachte sie, dass sie eigentlich nicht hergekommen war, um sich eine Moralpredigt anzuhören.
    »Merk dir für die Zukunft: Wir respektieren das Privateigentum. Du kannst von Glück sagen, dass Genbek dich nicht getötet hat.«
    Die Fee klappte die Mappe mit den Unterlagen zu.
    »Wegen der Bücher?«
    »Wegen des Diebstahls«, verbesserte Slatka die junge Frau. »Wenn du ein Verbrechen begehst und es geht schief, musst du auch damit rechnen, dass du dafür bezahlen musst: mit Geld, deiner Freiheit oder deinem Leben. Im Dunklen Hof ist Sklaverei verpönt, bleiben also nur Geld oder Leben.«
    »Im Ernst?«
    »Absolut. Ehrlich gesagt erstaunt mich Genbeks Großzügigkeit. Wenn es um seine Bücherkollektion geht, versteht er normalerweise keinen Spaß und hat schon so manchem, der ihm in die Quere kam, die Kehle durchgeschnitten. «
    Der alte, gutmütige Bücherwurm? Kaum vorstellbar, doch Larissa wunderte sich über nichts mehr.
    »Woher hast du die magische Energie genommen, wie hast du deine Opfer getäuscht?«, fragte die Fee weiter.
    Larissa gab sich alle Mühe, von dem geheimnisvollen Wirbel zu erzählen, den sie bei ihren Diebeszügen einzusetzen pflegte. Dabei stockte sie immer wieder und verhedderte sich in den Begriffen. Wie sollte man so etwas auch vernünftig beschreiben? Doch zu ihrer Überraschung nickte Slatka unaufhörlich, so als wäre das für sie das Selbstverständlichste auf der Welt.
    »Das hast du übrigens auch falsch gemacht«, kommentierte die Fee,

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