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Das Opfer

Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vadim Panov
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furchterregenden Fäuste des Panopten. »Sie hätte ohnehin nichts, was zu den Ohrringen passt, da müsste man schon die ganze Garnitur nehmen, diesen Ring da, das Armband, die Brosche und …«
    Artjom begann sich zu langweilen. Ihm war klar, dass Cortes versuchen würde, dem einfältigen Christophan so viele Schmuckstücke wie möglich aus der exklusiven Kollektion abzuschwatzen. Sein Partner war nicht der Typ, der sich eine so einmalige Gelegenheit entgehen ließ. Die Sache würde sich also noch länger hinziehen.
    Der junge Söldner betrachtete die dunklen Kronen der mächtigen Bäume, die im Umkreis der Schatzgrube träge im Wind wogten, warf einen Blick zum nächtlichen Himmel, wo sich allmählich die ersten Sterne einfanden, und dann hörte er in der schwachen Geräuschkulisse des entschlummernden Parks plötzlich den Schrei einer Frau – ganz leise, aber eindeutig.
    Artjom wandte sich an seine Begleiter: »Habt ihr das gehört?«
    » Was gehört?«, fragte Cortes zerstreut. »Christophan, und wie viel willst du für diesen Ring?«
    »Gib’s auf, Cortes, du bekommst nur das Diadem.« Der Panopt wühlte geschäftig in der Truhe. »Es muss irgendwo hier unten sein.«
    »Cortes!«
    »Was denn?«
    »Da hat eine Frau geschrien!«
    »Na toll. Du träumst wohl sogar im Stehen noch von Frauen. Christophan, ich kaufe dir trotzdem auch diesen Ring ab. Mein Großvater hat bald Geburtstag und …«
    »Söldner haben keine Großväter.«
    »Ich bin eben eine Ausnahme von der Regel. Ich habe eine große Familie, und alle sind es gewohnt, teure Geschenke zu bekommen. Diese Perlenkette hier nehmen wir als Halsband für das Schoßhündchen meiner Schwiegermutter.«
    »Diese Perlenkette wurde angefertigt, als ihr Humos noch mit Knochen um den Hals herumgelaufen seid.«
    »Hab doch Mitleid mit dem armen Hündchen, Christophan! «
    Es war ein aussichtsloses Unterfangen, die beiden von der Schatztruhe loszueisen. Cortes hatte sich derart in die Beute verbissen, dass um ihn herum tausend Frauen hätten schreien können, ohne dass er davon Notiz genommen hätte. Artjom kehrte seinen Begleitern den Rücken zu und ging in der Richtung, aus der der Schrei gekommen war, tiefer in den Wald hinein. Nach einiger Zeit blieb er stehen und horchte.
    Im Gegensatz zu Cortes, der die harte Schule des Militärgeheimdienstes durchlaufen hatte, konnte Artjom noch kaum Erfahrung in Kampfeinsätzen vorweisen. Seine Karriere als Söldner hatte erst vor kurzem und mehr oder weniger durch Zufall begonnen. Aus diesem Grund fühlte er sich ein wenig unwohl dabei, angesichts ungewisser Gefahren im nächtlichen Wald ganz auf sich allein gestellt zu sein.
    Immerhin hatte er sein Messer dabei – ein scharfes, schwarzes Nawenmesser: lebenslange Garantie, perfekt ausbalanciert und am Griff mit einem Spezialmaterial ummantelt, das selbst bei Kontakt mit Schweiß oder Blut für absolute Rutschfestigkeit sorgte. Mit einem Nawenmesser konnte man Stahlbleche bis zu einer Dicke von drei Millimetern durchtrennen, Holz oder Knochen schnitten sich damit wie Butter. Cortes hatte Artjom gezeigt, wie man eine solche Waffe im Kampf richtig einsetzt, und ihm einige Tricks beigebracht. Doch an einer Übungspuppe unter Anleitung eines Kundigen zu trainieren ist eine Sache, im finsteren Wald einem unbekannten Gegner gegenüberzustehen ein völlig andere.
    Artjom strich mit der Hand über den Griff des Messers, der sich angenehm weich anfühlte. Vielleicht sollte er lieber doch nicht weitergehen? Wer weiß, warum die Frau geschrien hatte. Möglicherweise vor Lust?
    Solcherlei Spekulationen erledigten sich umgehend, denn abermals gellte ein Schrei, diesmal jedoch ganz aus der Nähe, und gleichzeitig hörte Artjom Zweige knacken. Jemand lief direkt auf ihn zu. Der Söldner war völlig perplex, und als unmittelbar vor ihm eine kleingewachsene, hellblonde junge Frau aus dem Gebüsch sprang, packte er sie einfach mit beiden Armen und drückte sie an sich. Die Flüchtende stieß einen weiteren markerschütternden Schrei aus.
    »Was ist passiert? Vor wem läufst du denn davon?«
    Da der Profiheld in diesem Augenblick mit einem Profischatzhüter um Schmuckstücke feilschte, blieb es dem Nachwuchshelden überlassen, sich um die Rettung der Frau zu kümmern, was der Qualität der abgelieferten Arbeit verständlicherweise nicht zuträglich war.
    »Fassen Sie mich nicht an! Lassen Sie mich sofort los!!«, tobte die junge Frau und versetzte ihm einen heftigen Faustschlag in den Bauch.

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