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Das Opfer

Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vadim Panov
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ganz spezielle Einrichtungen – sogenannte Quellen.« Santiago grinste. »Aber fragen Sie mich nicht, wie sie funktionieren.«
    »Versprochen.« Andrej schwieg für einen Augenblick, während er sich die nächste Frage überlegte. »In Lebewesen steckt also nur wenig Energie?«
    »Vernachlässigbar wenig.«
    »Ich habe ein paar Bücher über Magie gelesen.«
    Santiago zog die Brauen hoch, erwiderte jedoch nichts.
    »Dort ist unter anderem von Opferritualen die Rede. Ich denke, Sie wissen, was ich meine: schwarze Magie, Teufelskult, Hexensabbat.«
    »In dieser Hinsicht kann ich Sie beruhigen, Major«, winkte Santiago ab und überprüfte die perfekte Fingernagelmaniküre an seiner linken Hand. »Ich will nicht verhehlen, dass es früher einmal solche Opferrituale gegeben hat, doch inzwischen sind sie verboten.«
    »Wirklich komplett verboten?«
    »Das Verbot bezieht sich auf vernunftbegabte Wesen, also auf Bewohner der Verborgenen Stadt und auf euch Menschen. Tiere werden nach wie vor getötet – dagegen werden sie doch hoffentlich nichts einzuwenden haben?«
    »Bei Tieren ist es etwas anderes.« Andrej fiel ein, dass er vergangene Woche einen geringen Betrag an Greenpeace gespendet hatte, doch er wollte nicht kleinlich sein. »Welchen Sinn machen solche Opfer, wenn in Lebewesen praktisch keine Energie steckt?«
    »Ihre messerscharfe Logik gereicht Ihnen zur Ehre, Major Kornilow.« Santiago neigte anerkennend den Kopf. »Die Opfer dienen einem anderen Zweck.«
    »Und welchem?«
    Diesmal nahm sich Santiago eine Pause zum Nachdenken. Er sah Andrej sehr aufmerksam in die Augen und betrachtete dann eine Weile den trägen Wasserlauf zu seinen Füßen.
    »Sehen Sie sich diesen Fluss an, Major, und die ganze Umgebung hier. Dereinst befand sich hier ein Wald, hundertjährige Bäume rauschten im Wind, im Dickicht streiften Bären, Wölfe und Hirsche umher. Sie wissen noch, wie ein Hirsch aussieht, Major Kornilow?«
    Andrej nickte.
    »Gut. Dann seid ihr Menschen gekommen und habt die Welt verändert: habt den Wald gerodet, Holzhäuser gebaut, die wilden Tiere vertrieben oder ausgerottet, das Gras durch Getreide ersetzt. Später habt ihr die Holzhäuser wieder abgerissen, Fabriken hochgezogen, die Erde asphaltiert, den Fluss begradigt – und abermals hat die Welt sich verändert.«
    »Dieser Ort hat sich verändert.«
    »Die gesamte Welt, Major Kornilow, denn die Welt ist nichts anderes als die Gesamtheit solcher Orte. Die Gesamtheit aller Flüsse, Wälder, Tiere, Humos und so weiter. «
    »Und was hat das mit Opferritualen zu tun?«
    »Das werden Sie gleich verstehen.« Santiago sah Andrej nicht an, sondern blickte wie abwesend aufs Wasser hinunter. »Auch Magie verändert die Welt, Major Kornilow. Wenn Ihnen kalt ist, verbrennen Sie Holz, Öl oder Gas. Wenn mir kalt ist, entnehme ich der Welt ein wenig Energie und wärme mich daran. Damit verändere ich die Struktur der Welt.« Zur Untermalung formte Santiago die Hände zu einer Kugel. »Alle Lebewesen sind ein Teil der Welt. Wenn sie geboren werden, verändert sich die Welt, während sie leben, verändern sie die Welt durch ihr Verhalten, und wenn sie sterben, verändert sich wiederum alles. Wenn Sie sterben, Major Kornilow, verändert sich die Struktur der Welt. Verstehen sie nun?«
    »Noch nicht.«
    »Der Tod jedes Lebewesens beeinflusst die Struktur der uns umgebenden Welt. Ein vorher geplanter Tod oder eine ganze Reihe solcher Tode kann also zu einem gewünschten Resultat führen. Verstehen Sie das?«
    »Selbstverständlich.«
    »Eben diesem Zweck dienen Opferrituale – sie sind eine simple und schnell wirkende Methode, um die Struktur der Welt zu verändern.« Santiagos Stimme kühlte merklich ab. »Und nun, Major Kornilow, wäre ich Ihnen verbunden, wenn Sie die Güte hätten, mir den wahren Grund unseres Treffens mitzuteilen.«
    Die ironische Verbindlichkeit dieser Aufforderung klang beinahe ein wenig überheblich. Doch auch Kornilow verstand sich blendend darauf, den Tonfall eines Gesprächs abrupt zu ändern. Er ließ sich deshalb nicht aus der Ruhe bringen und konterte mit einer klaren Ansage.
    »In den letzten drei Tagen sind mehrere Ritualmorde in der Stadt begangen worden.«
    »Schon wieder ein Verrückter?«
    »Verrückte töten nicht in so kurzen Abständen.« Andrej schüttelte den Kopf. »Außerdem sind die Begleitumstände der Verbrechen ausgesprochen mysteriös.«
    »Dann müssen Sie mir genauer davon berichten.«
    »Die getöteten Personen haben absolut

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