Das Orakel von Antara
dass er und besonders Sabrete wichtige Faktoren bei den kommenden Kämpfen waren. Somit mussten sie so schnell wie möglich aus dem Gefahrenbereich heraus.
Er verfluchte seine Schwäche, die ihn so la nge niedergeworfen hatte und ihm nun so viele Schwierigkeiten bereitete. Er hasste den Gedanken daran, wie ein Greis in einer Sänfte fliehen zu müssen, aber es war ihm klar, dass er nicht in der Lage war zu reiten. Er konnte froh sein, wenn er den Weg durch den Gang meisterte. Schorangar gab seine Anweisungen und zog dann Reven an die Brust.
„Glück auf den Weg!“ sagte er. „Möge Saadh es schenken, dass wir uns bald wiedersehen!“ Er verneigte sich vor Sabrete, dann zog er auch sie spontan an sich und flüsterte: „Danke, mein Kind! Achte mir gut auf Reven! Er ist uns allen sehr teuer.“
„Ja!“ lächelte Sabrete. „Uns allen! Sei unbesorgt, ich werde ihn gut behüten.“
Dann schob Schorangar sie hinter Reven und seinem Führer in den Gang. Der Weg in der Finsternis erschien Sabrete unendlich, zumal sie merkte, dass Reven das Gehen schwer fiel. Er stolperte mehrmals, und sein Führer musste ihm aufhelfen. Doch dann hatten sie es geschafft. Hilfreiche Hände streckten sich ihnen entgegen, als sie aus dem Loch am Ende des Tunnels krochen. Niemand sprach ein Wort, und alles ging mit fast völliger Lautlosigkeit vor sich. Reven wurde in die Sänfte gehoben, und dann half einer der Antaren Sabrete in den Sattel eines der Pferde. Stumm bedeutete er ihr, sich auf den Hals des Tieres zu legen, und dann ging es durch das dichte Unterholz davon.
Der nächtliche Ritt e rschien Sabrete wie ein unwirklicher Traum. Außer dem Knarren des Riemenzeugs und dem dumpfen Stampfen der Pferdehufe war kein Geräusch zu hören. Nur schemenhaft konnte sie die Gestalten der vor ihr reitenden Männer und die Umrisse von Revens Sänfte erkennen. Noch nie in ihrem Leben war sie bei Nacht geritten, und die Dunkelheit gaukelte ihr allerlei Gefahren vor, die ihre durch Schorangars Worte erhitzte Phantasie hinter jedem Busch, jedem Baum vergegenwärtigte. Immer wieder sah sie sich um, ob niemand ihnen folgte.
Einer der Antaren bemerkte, dass ihr Pferd immer weiter zurückblieb. Er verhielt sein Tier und wartete, bis sie bei ihm war. Dann nahm er ihr die Zügel aus der Hand und zog ihr Pferd mit sich fort. Er erhöhte die Geschwindigkeit, und bald hatten sie wieder Anschluss an die anderen.
Wenn Sabrete g edacht hatte, dass er ihr nun die Zügel wieder überlassen würde, hatte sie sich geirrt. Der Mann wehrte den Zugriff ihrer Hand ab und zischte leise:
„Wenn du zurückbleibst, bist du verloren! Wir können nicht halten, um dich zu suchen.“
Widerspruchslos fügte sich Sabrete. Sie sah ein, dass der Mann Recht hatte. Ein kalter Schauer rann ihr über den Rücken, als sie sich vorstellte, allein hier durch die Finsternis zu irren und womöglich den Moradonen in die Hände zu fallen.
Den Moradonen! Oh, ihr Götter, das war doch ihr Volk! Was also fürchtete sie? Doch dann wusste sie, dass sie allen Grund hatte, sich zu fürchten. Wer von den einfachen Soldaten, die hier draußen Streife ritten, kannte sie denn? In ihrer Kleidung würde man sie für eine antarische Sklavin halten. Der kalte Schauer in ihrem Rücken verstärkte sich, als sie sich ausmalte, was Moradonen wohl mit einer Sklavin machen würden, die sie nachts außerhalb der Stadt antrafen. So überließ sie sich dem dahineilenden Pferd, nur noch darauf konzentriert, nicht herunterzufallen.
Sabrete hatte bereits jedes Zeitgefühl verloren, als der Führer das Tempo verlangsamte. Eine kleine Weile ritten sie im Schritt weiter. Dann sah Sabrete, dass sie an einem Zaun entlang ritten, dessen Pfähle an vielen Stellen umgerissen waren. Aus der Dunkelheit tauchten die Umrisse von Gebäuden auf, und plötzlich wurden sie angerufen:
„ Halt! Wer da?“ „Für Yorn und Antara!“ antwortete der Führer. „Gut! Ihr könnt passieren!“ kam die Antwort.
Beim Weiterreiten merkte Sabrete, dass sie sich in einem weitläufigen Gehöft befinden mussten. Große, flache Gebäude bildeten einen geräumigen Innenhof, und nun sah sie auch Menschen, die sich geschäftig im Hof bewegten. Aber nirgendwo brannte ein Licht, und es schien, als würde jedes laute Geräusch vermieden. Einige Leute sprangen hinzu und übernahmen die Pferde. Sabrete wurde aus dem Sattel gehoben, und sie sah, dass man Reven aus der Sänfte half. Er fluchte unterdrückt, denn der
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