Das Orakel von Antara
vor anderen im Staub lag. Auch ich trage die Königsnarben, denn auch ich bin aus dem Blut der Hochkönige von Antara.
Also beweise mir, Yorn, dass du der Sohn Waskors bist und dass dein Verlangen Saadhs Wille ist. Besiegst du mich, so kannst du tun, was du willst, aber du wirst mich dafür töten müssen. Wenn ich dich aber überwinde, geschieht, was ich verlange! Dann wird Moradon vernichtet - ausgerottet mit Stumpf und Stiel!“
„Wie du willst, Sarwill!“ entgegnete Yorn kalt. „Wir wollen es hinter uns bringen, denn ich habe keine Zeit. Also komm!“
Da hob Nith die Hand. „Halt!“ donnerte er. „Halt, im Namen Saadhs!“ Er stand auf und ging auf die beiden Widersacher zu. Seine Augen blitzten vor Zorn.
„ Seid ihr von Dämonen besessen, oder was geht in euch vor, dass ihr euch gegenseitig umbringen wollt? Noch habt ihr die Schlacht nicht gewonnen! Ihr teilt den Braten, ehe das Wild erlegt ist.
Du, Sarwill, solltest mehr Verstand besitzen. Das Alter dazu hast du! Und du, Yorn, redest von einem Frieden, zu dem dir selbst nichts weniger als alles fehlt! Wenn ihr denn wirklich wissen wollt, was Saadhs Wille ist, so wartet erst einmal ab, ob er euch Moradon tatsächlich in die Hände gibt. Aber bis dass es so weit ist, kann nur Einigkeit uns die Kraft dazu geben.
Sarwill , die Antaren brauchen einen Führer, der ihnen das Vertrauen in ihre eigene Stärke gibt. Auch wenn du es nicht wahrhaben willst - ich weiß, dass Yorn für seine Aufgabe von Saadh erwählt wurde. Wir werden ihm folgen - alle!
Die Krieger haben die Königsnarben gesehen und das Schwert Waskors. Sie glauben an die Prophezeiung, so wie ich es tue. Willst du Yorn t öten und dann die Antaren allein führen? Glaubst du, sie würden dir folgen? –
Und du, Yorn! Was, glaubst du, werden die Kerter tun, wenn du ihren Fürsten e rschlägst? Die Prophezeiung sagt, dass Antara nur frei wird, wenn das ganze Volk geeint ist. Der Stamm der Kerter ist ein Teil der Antaren - und nicht ihr geringster! Wenn der Sieg unser wird mit Saadhs Hilfe, mögt ihr euren Streit ausfechten, wenn es euch dann noch nötig erscheint. Bis dahin aber haben wir wirklich Besseres zu tun! Setz’ dich, Sarwill, und auch du, Yorn! Unsere Beratung ist noch nicht am Ende!“
Widerstrebend ließen sich die beiden Kontrahenten nieder, Sarwill mit kaum verhohlener Wut, doch Yorn mit einem Gefühl der Scham.
Warum hatte er es so weit kommen lassen? Wieder einmal war er zu impulsiv gewesen. Er hatte vom Frieden geträumt und seine Trä ume laut ausgesprochen. Ein guter Herrscher aber durfte nicht träumen! Für ihn hatten nur Tatsachen zu zählen. Er seufzte innerlich. Wäre Reven nur dagewesen! Der besonnene Bruder fehlte ihm sehr.
„Yorns Plan ist gut“, fuhr Nith fort. „Er kennt die Verhältnisse in Blooria am besten, und darum erscheint mir richtig, was er sagt. Darum schlage ich vor, dass das Heer im ersten Licht des Tages reitet. Darum sollte jeder von euch Befehl geben, dass der Aufbruch vorbereitet wird. Ich werde inzwischen mit Yorn die Einzelheiten durchsprechen. Zum Abend erwarten wir euch dann alle wieder hier, damit jeder genau weiß, was er zu tun hat, wenn wir Blooria erreichen.“
Die Fürsten erhoben sich und verließen das Zelt. Nur Veren, der Führer der G uranen, blieb zurück.
„Ich möchte euch gern noch etwas sagen“, meinte er. „Was Sarwill sagt, ist falsch und richtig zugleich. Es stimmt, in unserer aller Herzen brennt der Wunsch nach Vergeltung.
Aber wir alle sind des Krieges müde und würden für einen dauerhaften Frieden alles g eben. Und ich glaube nicht, dass es viele unter den Antaren gibt, die ihre Hände mit dem Blut von Frauen und Kindern beflecken möchten. Yorn hat Recht, wenn er sagt, dass wir dann nicht anders wären als die Moradonen. Darum glaube ich, dass die anderen Führer nicht so denken wie Sarwill. Auch sie wollen Frieden - wenn auch zu unseren Bedingungen!“
Er sah Yorn einige Augenblicke prüfend an. Dann streckte er ihm spontan die Hand entg egen. „Aber wie es auch kommt, Waskors Sohn“, sagte er dann mit einem Lächeln, „ich glaube, dass sich in dir die Prophezeiung erfüllt. Und darum werden die Guranen dir folgen, wohin du uns auch führen mögest.“
Yorn ergriff die dargebotene Hand und drückte sie fest. „Ich danke dir, Veren!“ sagte er warm. „Es tut gut zu wissen, dass man Freunde hat, auf die man zählen kann. Und die Guranen waren für mich mein Stamm, bis ich zwanzig
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