Das Orakel von Antara
sterben wir an jenem Ort,
hört man uns noch im Tode schrei’n:
Wir wollen freie Männer sein!
Zuerst war es nur die eine Stimme, doch nach und nach fielen die anderen ein, und dann brauste das Lied auf wie das Donnern der Brandung im Sturm.
Yorn ließ sie singen. Es kam nun nicht mehr darauf an. Die Zeit der Heimlichkeit war vorbei.
Der Morgen graute, und sie sahen vor sich schon die Türme von Blooria. Yorn winkte Sarwill, und der Kerter hob grüßend die Hand. Dann teilte sich das Heer. Voran die Reiter stürmten die beiden Teile auf die Lager vor den Toren von Blooria zu. Wie Yorn es befohlen hatte, bildeten sie in Windeseile einen Halbkreis um jedes Lager, jedoch in einer Entfernung, dass sie durch Pfeilschüsse nicht zu treffen waren.
Hörner und Alarmrufe klangen in den Lagern auf, scharfe Befehlsworte durchdrangen das Geschrei der aufgescheuc hten Moradonen. Auch auf den Mauern von Blooria sah man nun Gestalten erscheinen, und dann erklangen auch in der Stadt die Hörner. Immer mehr Menschen erschienen auf den Mauern, die entsetzt auf das Heer starrten.
Jetzt standen die Antaren wieder stumm. Die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne blitzten auf ihren Waffen. Sie standen wie die Bildsäulen, und ihre Unbeweglichkeit drohte massiver als jedes Kriegsg eschrei.
Im Lager des Vereios dagegen herrschten Durcheinander und Verwirrung. Vergeblich versuchten die Hauptleute, ihre Männer zum schnellen Sammeln zu bewegen. Hätte Yorns Heer nun angegriffen, wäre der Sieg wohl auf seiner Seite gewesen - aber um welchen Preis! Aberhunderte von Moradonen hätten ihr Leben lassen müssen, und auch auf den Seiten der Antaren wäre es wohl zu großen Verlusten gekommen.
Aber das war es nicht, was Yorn wollte. Er setzte sein Pferd in Bewegung und ritt bis auf Rufweite an die Moradonen heran. Pfeile schwirrten ihm entgegen, doch er wurde nicht g etroffen. Da trat ein Mann vor die Reihen der Zelte und hob die Hand. Sofort schwiegen die Bogen. Ein Pferd wurde gebracht, der Mann stieg auf und ritt auf Yorn zu. Als er näher kam, erkannte ihn Yorn nach der Beschreibung von Sabrete - es war Vereios.
„Was glaubst du, Sklave, was du ausrichten wirst mit deiner Schar von Feiglingen, die vor uns davongelaufen sind und die wir gejagt haben wie die Hasen?“ rief er Yorn spöttisch entgegen. „Es ist schön, dass ihr kommt, denn so können wir uns die Mühe sparen, euch in euren Schlupfwinkeln aufzustöbern. Wir brauchen jede Menge neue Sklaven, denn wir haben leider viele von euch abschlachten müssen, weil sie aufmuckten. Ich sehe, wir werden die Reihen neu füllen können.“
„Nun, Vereios“, sagte Yorn gelassen, „ich denke nicht, dass ihr jemals wieder Sklaven haben werdet! Du weißt genau, dass es euch nur gelang, uns zu knechten, weil ihr aus Bloors Herzen böse Kräfte erhieltet. Doch das ist nun vorbei, denn das Herz ist vernichtet. Nun seid ihr nur noch auf euch selbst gestellt. Bist du sicher, dass ihr stark genug seid, uns zu versklaven?“
Er machte eine umfassende Handbewegung auf das Heer hin. „Sieh dich nur um! Genauso viele Krieger, wie du hier siehst, halten deine Truppen am anderen Tor eingeschlossen. Und weitere tausend Mann befreien im Augenblick unsere gefangenen Brüder in den Speichern. Danach werden sie den Nachschub aus dem Süden aufreiben, auf den du wohl rechnest.“
Yorn täuschte mit der Zahl seiner Truppen, denn er wollte Vereios zu Aufgabe bewegen. „Oder willst du dich hinter die Stadtmauern zurückziehen und dich deinem Freund Pelegar in die Hände liefern? Du siehst, wir sind sehr genau informiert, wie es um euch steht. Bevor du dich also entschließt, dich uns zum Kampf zu stellen, höre zunächst einmal unsere Bedingungen:
Wenn ihr euch ergebt, so werdet ihr entwaffnet und unter strengster Bewachung gefa ngen gesetzt, aber niemand wir getötet oder gefoltert. Wir wollen euch auch nicht versklaven, denn im Gegensatz zu euch respektieren wir die Freiheit des Einzelnen. Das gleiche gilt für die Leute in der Stadt. Unterbleiben dort Ausschreitungen gegen die jetzt noch gefangenen Antaren, wird eure Prinzessin wieder zu euch zurückkehren können, die jetzt in unseren Händen ist. Wir werden mit ihr die Friedensbedingungen aushandeln und sie dann wieder an ihren angestammten Platz auf dem Thron von Moradon zurückkehren lassen. Sie kann dann heiraten, wen sie will, und über Moradon regieren.
Wir streben nicht nach der Herrschaft über Moradon,
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