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Das Orakel von Antara

Das Orakel von Antara

Titel: Das Orakel von Antara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Galen
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und aus den zerrissenen Arterien tropfte Blut. Das Blut sammelte sich auf dem Grund der Schale, von wo es durch eine Öffnung in ein Kristallgefäß rann. Angewidert sah Yorn, dass die dickliche Flüssigkeit in dem Gefäß schäumte, als koche sie. Und doch übte dieses dampfende Blut auf Yorn eine düstere Faszination aus. Er trat näher und streckte die Hand nach dem Gefäß aus, um es zu berühren. Das Kristall war kühl, obwohl sein Inhalt heiß zu sein schien. Yorn griff nach dem Gefäß und hob es hoch. Zischend tropfte das Blut in dicken Tropfen aus der goldenen Schale auf den kostbaren Altarstein. Wie an Fäden gezogen hob Yorn  das Kristallgefäß an den Mund. Sein Blick war in weite Fernen verloren, und ein gieriger Funke glomm in seinen Augen auf.
     
    „Um Saadhs Willen! Beeil’ dich, Yorn!“ klang da Kandons Stimme von draußen. „Kannst du das verdammte Ding nicht finden? Soll ich dir helfen?“
     
    Yorn tauchte wie aus einem tiefen, dunklen Wasser aus seiner unnatürlichen Faszination auf. Siedender Schrecken flammte in ihm auf, und mit einer heftigen Bewegung schleuderte er das Kristallgefäß auf den Boden, wo es in tausend Scherben zersprang. Wie eine riesige Amöbe kroch das dickflüssige Blut über den Boden. Wie gierige Zungen leckten die sich ausbreitenden Rinnsale die Ritzen des herrlichen Mosaiks entlang, das den Boden bedeckte. Von Ekel geschüttelt sprang Yorn zur Seite, als sich eines der Rinnsale seinen Füßen näherte. Dann löste er hastig die Flasche von seinem Gürtel, die wohlverwahrt in ihrer Lederhülle das kostbare Wasser aus dem Nebelreich barg. Yorn und Reven hatten den Raub aus Namindas Heiligtum geteilt, damit nicht alles verloren war, wenn einem von ihnen etwas zugestoßen wäre. Auch Reven trug daher an seinem Gürtel ein Fläschchen mit dem heiligen Wasser.
    Nun aber öffnete Yorn den Verschluss und trat an den Altar, sorgfältig der Lache auf dem Fußboden ausweichend. Wie ein böses, kleines Tier zuckte das Herz in seiner Schale, und sein pulsierendes Glühen schien gleichermaßen G efahr und Verheißung zu sein. Doch nun streckte Yorn ohne zu zögern die Hand mit der Flasche aus, und ein kleiner Schwall der kristallklaren Flüssigkeit ergoss sich über das Herz. Es zischte, als habe ein Schmied ein glühendes Eisen ins Wasser geworfen, und ein Dampfstrahl schoß bis an die Decke der Kammer. Yorns Hand wurde von dem kochenden Dampf getroffen, und mit einem Schmerzensschrei ließ er die Flasche fallen. Sie zerbrach und der Rest des Wassers ergoss sich in die Blutlache am Boden. Das Blut schäumte auf und verdampfte dann in Sekundenschnelle. Verblüfft sah Yorn, dass nur noch die Scherben der beiden Gefäße den Boden bedeckten. Das Blut jedoch war verschwunden! Schnell  schaute Yorn nach dem Herzen. Der Dampf hatte sich endlich verzogen. Fassungslos stand Yorn da: die goldene Schale war leer!
     
    „Yorn, Yorn, hörst du mich nicht?“ Kandons Stimme klang aufgeregt von draußen. „Wir müssen weg, um der Götter willen! Dort unten in den Gemächern der Prinzessin ist ein Licht entzündet worden. Wenn man uns entdeckt, werden hier gleich alle Dämonen los sein.“
     
    Yorn drehte sich auf dem Absatz um und rannte zum Fenster. „Wir haben es geschafft!“ jubelte er, als Kandon ihn auf den Fenstersims zog. „Das Herz ist vernichtet. Saadh sei Dank!“
     
    „Danke ihm später!“ scheuchte Kandon. „Jetzt sieh zu, dass du nach unten kommst, bevor es zu spät ist! In den Gemächern der Prinzessin scheint sich etwas zu rühren.“
     
    Hastig kletterten die beiden Männer am Seil nach unten. Kaum standen sie neben den aufatmenden Gefährten, als eine helle Gestalt aus einem der Wege trat.
     
    „Halt! Wer seid ihr und was habt ihr um diese Zeit hier zu suchen?“ fragte eine Frauenstimme in befehlsgewohntem Ton.
     
    „Die Prinzessin!“ hauchte Tamin. „Jetzt ist alles aus!“
     
    Doch Yorn reagierte blitzschnell. Mit zwei Sätzen war er bei dem Mädchen, das ihn entgeistert und erschreckt anstarrte. Mit einem Griff zwang er ihre Hände zusammen, die andere verschloss ihren Mund, der sich schon zum Schreien öffnete.
     
    „Reven, Kandon, einen Strick! Vanea, ein Tuch!“ kommandierte er leise.
     
    Sekunden später waren die Hände Sabretes gebunden und ein umgebundenes Tuch hinderte sie am Schreien.
     
    „Was machen wir jetzt mit ihr?“ fragte Vanea.
     
    „Reven und Kandon sollen sie zurück in ihr Zimmer bringen“, sagte Yorn. „Legt sie in ihr

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