Das Orakel von Atlantis
Unterstand und schlenderten auf mich zu.
»Hier war es ungefähr«, erklärte Georgis und vollführte mit den Armen eine umfassende Bewegung.
Ich nickte und schaute aufs Wasser.
»Nichts zu sehen«, sagte Ramon.
»Habe ich mir gedacht«, erwiderte sein Freund. Er blieb neben mir stehen. »Wie lange sollen wir hier warten?«
»Sie haben doch Zeit.« Er hob die Schultern. »Kommt drauf an.«
»Mitternacht.«
»Meinetwegen. Wenn es Ihnen Spaß macht, ins Wasser zu starren, soll's mir recht sein. Vielleicht lege ich mich hin.«
Hinter mir hörte ich ein Klicken. Als ich mich umdrehte, stand Ramon mit einer Schnapsflasche da. Mit dem Fingernagel schnippte er gegen das Glas. »Wollen wir einen Schluck trinken?«
Diesmal lehnte ich nicht ab. Es war ein Uzo, das griechische Nationalgetränk. Ich durfte zuerst einen Schluck nehmen, war aber vorsichtig, denn ich trank lieber Whisky.
Das Zeug war nicht nur scharf, sondern auch warm. Es rann durch meine Kehle hinunter in den Magen, wo es sich wie ein Feuersturm ausbreitete. Ich schüttelte mich, was die beiden anderen zu einem Lachen veranlaßte.
»Nichts Gutes gewohnt, wie?«
»Das ist Ansichtssache.«
»Die Engländer saufen nur Whisky«, erklärte Ramon und nahm einen kräftigen Schluck, bevor er die Flasche an seinen Freund weiterreichte. Auch er trank, während mir der eine Schluck gereicht hatte. Ich wollte meinen Magen noch behalten.
Als Georgis die Flasche absetzte, war sie halb geleert. Er stieß auf und wischte sich mit dem Handrücken über seine Lippen, während Ramon auf das Wasser starrte und dabei die angewinkelten Arme auf die Reling gelehnt hielt.
»Jetzt könnten wir bei den Puppen sein«, murmelte Georgis.
Ramon lachte. »Da sagst du was.«
Ich hob die Schultern. »Falls sich hier nichts tut, fahren wir wieder zurück. Dann kommt ihr immer noch zu eurem Vergnügen.«
»Hoffentlich!« hörte ich Ramon sagen.
Ich trat an die Backbordseite. Wie Ramon schaute ich ebenfalls auf das Wasser. Die Wellen erinnerten mich manchmal an lange Tücher, wenn sie anrollten und unser Boot in eine sanfte Schaukelbewegung versetzten.
Zu sehen war nichts. Das hatte ich auch schon bei der Jenseits-Falle erlebt, aber vielleicht konnte ich etwas herausfinden. Ich trug mein geweihtes Kreuz noch versteckt unter dem Hemd. Nun holte ich es hervor. Einen raschen Blick warf ich noch über die Schulter. Die beiden Männer kümmerten sich nicht um mich. Georgis trank Schnaps, Ramon starrte nach wie vor auf die Wellen.
Ich hatte die Kette über den Kopf gestreift und hielt sie zwischen zwei Fingern fest. Das Kreuz sah völlig normal aus, es baumelte nach unten, ich ließ es auf meiner freien linken Handfläche liegen und dann abrutschen, dem Wasser entgegen.
Das Kreuz erinnerte mich manchmal an eine Wünschelrute. Es reagierte auf andere, fremde Magien und zeigte mir an, wo ich sie finden konnte.
Langsam schwang ich es von einer Seite zur anderen. Es machte die Pendelbewegung mit, die schließlich in einen Kreis mündete, und ich glaubte, daß sich die Farbe des Kreuzes veränderte. Zunächst war das silbrige Leuchten geblieben.
Sehr scharf und deutlich hoben sich die Konturen des Kreuzes vor dem Hintergund des dunklen Wassers ab, und deshalb erkannte ich auch, wie innerhalb des Metalls Entladungen vorgenommen wurden. Ein kurzes Blitzen nur, mehr nicht. Magie!
Ja, es befand sich eine fremde Magie in der Nähe, und das Kreuz hatte darauf reagiert.
Ich stand zwar nicht gerade unter Strom, eine gewisse Spannung hielt mich dennoch umklammert. Sollte ich nach so zahlreichen erfolglosen Versuchen endlich die große Chance bekommen haben, um das Rätsel aufzuklären? Das wäre natürlich ideal gewesen. Ich war sehr konzentriert und merkte deshalb auch die Bewegungen unter dem Kiel.
Plötzlich lief ein Zittern durch das Schiff, als wäre es unter Wasser von irgendeinem Gegenstand angestoßen worden. Ramons Stimme ertönte. »He, was ist denn?«
Zum Glück sprach er Englisch. Ich drehte mich zu ihm um und schaute in sein verstörtes Gesicht. Georgis sah kaum anders aus. Er begriff den Vorgang ebenfalls nicht.
Danach wurde es wieder still.
»Da scheint doch etwas zu sein«, sagte Georgis zu mir und deutete dabei auf mein Kreuz. »Was soll das denn?«
»Ein Talisman«, wehrte ich ab.
»Mister, Sie werden uns allmählich unheimlich«, sagte Georgis mit gefährlich sanfter Stimme.
Der Schrei!
Ramon hatte ihn ausgestoßen. Er brüllte wie ein Irrer und deutete auf das
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