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Das Orakel von Margyle

Das Orakel von Margyle

Titel: Das Orakel von Margyle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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alt genug war, gab sie ihn fort, damit er zum Todesmagier ausgebildet wurde. Er glänzte in der Beherrschung der mächtigen dunklen Kräfte, war aber auch klug genug, hin und wieder die Lebensart seines Volkes in Frage zu stellen. Nie erhielt er eine befriedigende Antwort, bis zu jenem Sommer, als man ihn auf die Insel Tarsh sandte, um bei der Niederschlagung eines Aufstands zu helfen. Dort hatte er Dareth Woodbury als Geisel genommen. Als er sie nach Venard bringen wollte, war ihre Truppe von Gesetzlosen überfallen worden. Nur sie beide konnten entkommen. Allein in der wilden Landschaft des Nordens, waren sie sich zögernd nähergekommen. Dareth erzählte ihm viel über ihr Volk und dessen Lebensweise.
    So wie der Sommer die wilde Schönheit des Nordlands zum Erblühen brachte, so wandelte sich ihre Kameradschaft in Verlangen, das stärker und erschreckender war als jedes Gefühl, das er je gekannt hatte. Je heftiger sie dagegen ankämpften, desto heißer loderte die Flamme auf, bis sie schließlich von ihr verzehrt wurden.
    So sehr Maura es auch versuchte, sie konnte sich den Gefühlen dieser Erinnerung nicht entziehen. Als der Eroberer und seine Gefangene die weniger wilde Gegend des Landes erreichten, glaubte er, dass Dareth ihrer eigenen Leidenschaft nicht mehr entkommen könne. Als sie dann in einer Sommernacht floh, wurde seine Liebe zum bitteren Maßstab für ihren Verrat. Jetzt glaubte er, dass sie ihn nur verführt hatte, um fliehen zu können. Und so hatte er anschließend seine Wut auf Dareth an ihrem Volk ausgelassen.
    Die nächste Flut von Erinnerungen ließ Maura erschüttert und voller Abscheu zurück. Sie verließ ihn nur deshalb nicht, weil sie fühlte, dass jede Gewalttat und jede Folterung in schmerzlicher Weise auf ihn zurückgefallen war. Der Ehrgeiz, der sein ständiger Lehrmeister war, war unersättlich und forderte immer mehr.
    Dann, auf der Höhe seiner Macht, hatte er das erblickt, was er für eine Vision von Dareth Woodbury gehalten hatte. Seine so lang verleugnete Liebe war wieder an die Oberfläche gelangt. Als er dann Maura sah und hörte, wie sie ihn “Vater” nannte, tobten in ihm unter dem Druck der Schlacht wieder die Fragen und Zweifel. Und als der andere Todesmagier seinen Zauberstab auf Maura richtete, hatte er einschreiten müssen – obwohl er wusste, was es für ihn bedeutete.
    Maura hatte gehofft, all das, was sie über ihren Vater erfuhr, würde helfen, ihre Gefühle für ihn besser zu verstehen. Doch sie war verwirrter als zuvor.
    “Von hier aus musst du allein weiter”, sagte sie. “Ich muss zurück.”
    Eine geliebte, vertraute Stimme antwortete: “Vielleicht kann ich ihn den Rest des Weges führen.”
    “Langbard!” Maura konnte seine Arme nicht wirklich fühlen, aber sie war eingehüllt in tröstende, liebevolle Empfindungen. “Ich habe dich so vermisst!”
    “Und ich dich erst, liebstes Mädchen! Das ist eine der wenigen Wolken, die hier unsere Zufriedenheit überschatten – die Sehnsucht nach denen, die wir geliebt haben und zurücklassen mussten.”
    “Es gibt so vieles, das ich dir erzählen möchte.” Sie klammerte sich an ihn, obwohl sie spürte, wie er ihr bereits wieder entglitt. “Ich brauche so sehr deinen weisen Rat.”
    “Was könnte ich dir in wenigen Augenblicken sagen, das ich dir nicht in all den Jahren, die wir miteinander verbracht haben, gezeigt hätte?”
    Wieder einmal blitzte bei seinen rätselhaften Andeutungen ihre alte Ungeduld auf. “Zum Beispiel könntest du mir sagen, wo das Versteck von Velorkens Stab ist!”
    Langbard kicherte. “Aber das wäre eine lange Geschichte, fürchte ich. Und eine alte. Ich glaube fest, dass du die Antwort finden wirst. Leb wohl, liebstes Kind.”
    Wieder spürte sie den alten Schmerz des Verlustes.
    “Also”, drängte Langbard seinen eingeschworenen Feind mit sanfter Ungeduld, “möchtet Ihr noch etwas sagen, bevor wir aufbrechen?”
    In dem Zögern, das folgte, spürte Maura den heftigen Kampf ihres Vaters. Dann gab er auf. “Leb wohl, geliebtes Kind.”
    Bevor Maura etwas erwidern konnte, spürte sie, dass sie sich von ihnen entfernte. Das Letzte, was sie hörte – oder sich vielleicht auch nur einbildete –, war, wie Langbard murmelte: “Kommt mit. Da wartet jemand, der gespannt darauf ist, Euch wiederzusehen.”
    Als Maura die Augen öffnete, stellte sie fest, dass ihr umherwandernder Geist wieder in ihren Körper zurückgekehrt war. Nacht hatte die kleine Lichtung umhüllt. Die

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